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Kommentar von Jens Kleindienst zu 100 Tage Ampel-Koalition

Mainz (ots)

Wer die ersten 100 Tage der Ampel-Koalition bewertet, schaut zwangsläufig zuerst auf Tag 82. An diesem 27. Februar hat Olaf Scholz im Bundestag von einer Zeitenwende gesprochen, die Russlands Präsident Wladimir Putin mit seinem Angriff auf die Ukraine eingeläutet habe. Die Antwort des Bundeskanzlers auf diese Zeitenwende war eine spektakuläre Kehrtwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik: Ende der historisch gewachsenen Zurückhaltung bei internationalen Konflikten, massive Aufrüstung der Bundeswehr, Bruch der speziellen deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. Scholz hat diese - für Sozialdemokraten und Grüne überaus schmerzhaften - Anpassungen an die neue Realität in den eigenen Reihen handstreichartig durchgesetzt und anschließend im Parlament überzeugend begründet. Er hat an diesem denkwürdigen Sonntag bewiesen, dass er Kanzler kann. Das Gerede von mangelnder Führung ist seitdem verstummt. Insofern haben SPD, Grünen und FDP im Krisenmodus einen ordentlichen Start hingelegt. Dazu trug neben Scholz vor allem die grüne Außenministerin Annalena Baerbock bei: Binnen Wochen ist sie zur allseits vernehmbaren Stimme im Konzert der Spitzendiplomatie geworden. Baerbock hat etwas zu sagen, und sie sagt es laut. Auch Robert Habeck, Christian Lindner und Nancy Faeser gehören zu den Aktivposten. Wirtschaftsminister Habeck hat erste Schritte zur großen Klimawende eingeleitet, ohne die akuten Probleme der Versorgungssicherheit aus den Augen zu verlieren. Kurzfristig könnten die Turbulenzen auf den Energiemärkten die Transformation bremsen, zugleich liefern sie aber zusätzliche Argumente für den raschen Umstieg auf Sonne und Wind. Finanzminister Lindner beweist einen kreativen Umgang mit der Schuldenbremse - Stichwort Sondervermögen für Energiewende und Bundeswehr. Dafür gebührt ihm ausdrücklich Anerkennung - wer jetzt nicht investiert, zahlt später doppelt. Oder gefährdet die Fähigkeit zur Selbstverteidigung. Und mit Nancy Faeser steht endlich jemand an der Spitze des Innenministeriums, der den Kampf gegen rechte Hetze und Gewalt zur Chefsache erklärt. Es gibt jedoch einen großen Schwachpunkt: die Corona-Politik. Hier hat die Ampel bisher versagt. So kam die Beendigung der epidemischen Notlage im Herbst ebenso zum falschen Zeitpunkt wie aktuell die Aufhebung fast aller Schutzregeln am 20. März. Und mit der Entscheidung, für eine allgemeine Impfpflicht keinen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, hat die Ampel auch dieses Projekt ausgebremst. Die halbherzige und fahrlässige Corona-Politik zeugt von falscher Rücksichtnahme auf die Befindlichkeiten der FDP. Zurzeit interessiert das niemanden so sehr. Doch im dritten Corona-Herbst könnten sich diese Fehler noch bitter rächen.

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