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Nachtgedanken der Koalition¶

Bielefeld (ots)

Der erste Gipfel mit Armin Laschet¶

Thomas Seim¶

Das politische Geschäft, so heißt es, bestehe zu wesentlichen Teilen aus der hohen Kunst der Symbolik. Ihr hatten sich die damals neuen SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans verpflichtet gefühlt und ihren Gesprächspartnern von der Union beim Koalitionsgipfel Ingwer-Tee überreicht - mit leichter Schärfe und angenehmer Süße, so die Symbolik.

Dieses Mal war der Chef Armin Laschet als neuer Mann in der Runde an der Reihe und überreichte den Gipfelteilnehmern ein Bändchen mit Heinrich-Heine-Gedichten. Die Symbolik von Gedichten des Düsseldorfers Heine liegt für einen Rheinländer wie Laschet eigentlich auf der Hand, möchte man meinen. Die enge Anlehnung des großen deutschen Dichters an den alten Klassenkämpfer Karl Marx, der immerhin dessen Gedichte an die Zeitschrift Vorwärts vermittelte, dürfte dem christdemokratischen Anführer kaum verborgen geblieben sein.

Eine Botschaft des Friedens also, die Laschet seinen sozialdemokratischen Partnern überreichte. Und so war der ganze Gipfel wohl auch. Konflikte waren nicht gefragt, die Einigung über Drohne, Verlustrückträge, Zuschuss zur Grundsicherung, Kinderbonus, weniger Mehrwertsteuer für Gastronomen und Hilfe für die Kultur ließ sich schnell herstellen. Alles war gut.

Beinahe. Denn die tatsächliche Zuspitzung im Blick auf die anstehenden Wahlen war da längst vollzogen. Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte sie zum Wochenstart mit einem Wutausbruch in Richtung EU-Kommission wegen der desaströsen Lage bei den Impfungen losgetreten. Seit einer Woche geht Scholz EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) immer schärfer an, macht sie verantwortlich für die Fehlleistungen bei den Impfstoff-Bestellungen. Nur die Kanzlerin verteidigt ihre Vertraute in Europa wohl noch. Allein auf weiter Flur. Auch beim Gipfel.

Die unzulängliche Einkaufspolitik nimmt über den Umweg Europa auch Gesundheitsminister Jens Spahn immer stärker in den Blick. So gibt es erste Befürchtungen in der Union, dass dem Verbündeten von Laschet im Bundeskabinett ein Untersuchungsausschuss drohen könnte.

Die Botschaft des Friedens also, die der Koalitionsgipfel ausstrahlen sollte, war allenfalls gut gemeint. Kerngesund ist das Land gerade nicht. Vielleicht plagen Laschet deshalb nicht erst seit dem Gipfel Nachtgedanken zu möglichen Aufgaben in Berlin, und er fühlt sich deshalb um den Schlaf gebracht. Das gäbe seinem Heine-Geschenk eine ganz andere Bedeutung.

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