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Neue Westfälische (Bielefeld): Entscheidung zum Familiennachzug Viel Lärm um ein mickriges Gesetz Marina Kormbaki, Berlin

Bielefeld (ots)

Die womöglich neue, alte Große Koalition hat ihren ersten Praxistest bestanden. Mit ihrer Mehrheit setzten Union und SPD im Bundestag den Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus bis zum Sommer aus. Ab dem 1. August können dann pro Monat bis zu 1.000 Kinder und Ehepartner zu ihren Familien nach Deutschland kommen, so sie denn dafür "humanitäre Gründe" geltend machen können. Doch das bloße Zustandekommen einer Mehrheit für ein Gesetz ist noch kein Erfolg. Der Inhalt und die Vermarktung dieses Gesetzes in der Öffentlichkeit rechtfertigen erst recht nicht, sich selbst zu beglückwünschen. Die Frage des Familiennachzugs wurde mit so viel Eifer und Borniertheit zur Zukunftsfrage des Landes stilisiert, dass man jetzt nur verblüfft auf das mickrige Resultat blicken kann. Das Bohei, das um dieses Gesetz gemacht wurde, ist gewiss kein Indiz für seinen Nutzen. Die Neuregelung löst kein einziges Problem - keines von Einwanderern, keines von Union und SPD und keines des Landes. Union und SPD schaffen mit der Neuregelung das Recht auf Familienzusammenführung für die betroffenen Flüchtlinge endgültig ab. Da hat die CSU mit ihrer Lesart völlig recht. Schon die Eingruppierung der seit 2016 nach Deutschland gekommenen Syrer und Iraker als Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus war eine politisch motivierte Ermessensentscheidung. Nun wird auch ein Rechtsanspruch dieser Gruppe zur Ermessensfrage degradiert. Schonungslos zeigt sich, wie eine mit Ängsten und Ressentiments befeuerte öffentliche Debatte den Rechtsstaat verformt. Die von der SPD herausverhandelten 1.000 Visa für Härtefälle sind nichts weiter als ein Deckmäntelchen für die unansehnlichen Folgen des gesellschaftlichen Rechtsrucks. Union und SPD tun aber auch sich selbst keinen Gefallen. Den Kompromiss stellte die jeweilige Seite als Erfolg dar. Das lässt nichts Gutes erahnen für die weitere Zusammenarbeit. Zudem ist es kein Zeichen von Souveränität und politischer Vernunft, wenn sich die Koalitionäre ihre Prioritäten von der Konkurrenz, der AfD, diktieren lassen. Die Debatte um den Familiennachzug ist irreführend. Sie verstellt den Blick auf grundlegende Mängel des Zusammenhalts in der auseinanderdriftenden Gesellschaft. Mängel, die Deutsche wie Nichtdeutsche betreffen. Schön wäre, wenn Union und SPD den Eifer, mit dem sie um den Familiennachzug stritten, auch in Fragen um würdige Gehälter, Wohnraum und Bildungschancen aufbringen würden.

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