Neue Westfälische (Bielefeld): Gewalt am Arbeitsplatz Freiwild Wolfgang Mulke
Bielefeld (ots)
Was kann der Betreuer im Jobcenter dafür, dass einer seiner Klienten auf Hartz IV angewiesen ist? Warum ist der Busfahrer schuld an der fehlenden Fahrkarte eines Passagiers? Und ist die Lehrerin verantwortlich für schlechte Leistungen in der Schule? Das wird in allen Fällen nur ausnahmsweise der Fall sein. Trotzdem bekommen sie alle immer häufiger die Wut der anderen zu spüren, werden angepöbelt, bespuckt, verprügelt, wird der Frust an ihnen ausgelassen, werden sie wie Freiwild gejagt. Das ist nicht hinnehmbar. Es ist zwar die Aufgabe der Arbeitgeber, für gut geschützte Arbeitsplätze zu sorgen. Doch einen Rundumschutz kann es naturgemäß nie geben, wenn Menschen auf Menschen treffen. Kleine Vorkehrungen helfen gegen Gewalt am Arbeitsplatz. So stattet die Deutsche Bahn ihre Sicherheitsleute jetzt flächendeckend mit Körperkameras aus, weil sich dies als Prävention bewährt hat. Gleichzeitig geht mit jedem bisschen mehr Kontrolle auch etwas mehr Freiheit verloren. Das muss man zähneknirschend im Sinne der betroffenen Beschäftigten wohl hinnehmen. Nicht abfinden muss sich die Mehrheit der Friedfertigen mit den Ausfällen einer Minderheit. Hier ist der Staat gefragt, den viele Bürger nicht mehr als Schutzinstrument wahrnehmen. Solange die Sanktionen für Übergriffe, ob nun nur verbal oder auch körperlich, keine Abschreckung bewirken, wird der Trend zur Hassgesellschaft nicht gestoppt werden können. Es wird viel über Politikverdrossenheit und Vertrauensverlust gesprochen. Hier hat die Politik die Chance, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, in dem sie bei den vergleichsweise kleinen Delikten auch einmal durchgreift.
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