R+V-Studie: Große Angst vor politischem Extremismus
Wiesbaden (ots)
Bricht die Gesellschaft auseinander? Eine Sonderbefragung der renommierten R+V-Studie "Die Ängste der Deutschen" zeigt: Zwei Drittel der Menschen im Land fürchten eine Spaltung der Gesellschaft. Groß ist auch die Angst, dass sich politischer Extremismus ausbreitet - insbesondere der von rechts.
Berichte über rechtsextreme Verschwörungspläne, aufgeheizte politische Debatten und gleichzeitig auf den Straßen friedliche Großdemonstrationen für die Demokratie: Vor diesem Hintergrund hat die Studie "Die Ängste der Deutschen" im Februar 2024 insgesamt 1.000 Bürgerinnen und Bürger online nach ihren politischen Sorgen gefragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ. "Die große Mehrheit der Befragten - 66 Prozent - fürchtet, dass die Spaltung der Gesellschaft zunimmt und dies zu Konflikten führt", sagt Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch. "Das ist ein deutlicher Anstieg um 16 Prozentpunkte." Im Sommer 2023 wurde diese Angst erstmals in der R+V-Studie erhoben, schon damals war sie groß (50 Prozent). "Ein gewisses Auseinanderdriften in verschiedene gesellschaftliche Lager beobachten wir in Deutschland schon lange, etwa in links-rechts, arm-reich oder Stadt-Land", erklärt Professorin Dr. Isabelle Borucki. "Jetzt schüren die Rechtsextremen mit ihren Angriffen auf die Demokratie die Angst vor noch tieferen Gräben." Isabelle Borucki ist Politikwissenschaftlerin an der Philipps-Universität Marburg und begleitet die R+V-Studie als Beraterin.
Furcht vor Rechtsextremismus
Noch deutlicher steigt eine zweite Sorge. "Vor politischem Extremismus haben 59 Prozent der Deutschen Angst. Die Furcht ist im Vergleich zum Sommer um 21 Prozentpunkte in die Höhe geschnellt", berichtet Brower-Rabinowitsch. Bei dieser Angst hakt die Studie nach und fragt: Welche Art von Extremismus meinen Sie damit? Mehrfachnennungen waren möglich. "Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache: Mit Abstand am meisten Sorge bereitet den Menschen rechter Extremismus", sagt Studienleiter Brower-Rabinowitsch. 72 Prozent der Befragten haben Angst vor Rechtsextremismus, 61 Prozent vor islamistischem Extremismus und 29 Prozent vor Linksextremismus. "Die Recherchen von Correctiv und die mediale Berichterstattung über das Treffen in Potsdam zeigen, dass es manifeste Bestrebungen gibt, den Staat, die Demokratie und die Gesellschaft in ihrer jetzigen Form zu zerstören", erläutert Professorin Borucki. "Die Zivilgesellschaft sieht im Rechtsextremismus eine konkrete Bedrohung."
Ein Blick auf den Langzeitvergleich zeigt, dass die Furcht vor politischem Extremismus seit 1996 erst zweimal größer war als in der aktuellen Sonderbefragung: 2016 (68 Prozent) und 2017 (62 Prozent), in beiden Fällen unter dem Eindruck der Attentate der IS-Terrormiliz und der Flüchtlingswelle in Europa. In den vergangenen sieben Jahren spielte das Thema in der R+V-Studie eine untergeordnete Rolle.
Ängste in Ost- und Westdeutschland
Interessant ist auch ein Blick auf die regionale Verteilung der Ergebnisse: "Für den Osten gilt genauso wie für den Westen: Eine deutliche Mehrheit der Menschen hat große Angst vor einer Spaltung der Gesellschaft und vor politischem Extremismus", sagt Studienleiter Brower-Rabinowitsch. In Ostdeutschland ist die Angst vor einer Spaltung der Gesellschaft etwas ausgeprägter als im Westen (Ost: 69 Prozent; West 65 Prozent). Im Westen ist hingegen die Angst vor politischem Extremismus größer als im Osten (West: 60 Prozent; Ost: 57 Prozent). Größere Unterschiede gibt es bei der Art des Extremismus: Im Osten fürchten die Menschen an erster Stelle islamistischen Extremismus (70 Prozent), gefolgt von Rechtsextremismus (61 Prozent). Im Westen bereitet der Rechtsextremismus (74 Prozent) den Menschen deutlich mehr Sorgen als der islamistische Terror (59 Prozent). Die Bedrohung durch Linksextremismus halten Ost und West für vergleichsweise gering (Ost: 27 Prozent; West 29 Prozent).
Botschaft an die Politik
Professorin Borucki leitet aus dem aktuellen starken Anstieg der beiden Ängste eine klare Botschaft an die Politik ab: "Die Menschen sind hoch verunsichert. Sie fühlen sich nicht gesehen und nicht gehört." 2024 stehen Europawahlen sowie Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern an. "Für unsere Demokratie ist es von großer Bedeutung, dass die Politik den Kontakt zu den Menschen wieder herstellt, die Sorgen der Zivilgesellschaft ernst nimmt und die Probleme sichtbar anpackt."
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