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Nun muss die Ampel liefern
Die Wahl des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz ging problemlos über die Bühne. Eine Schonfrist wird ihm nicht eingeräumt. Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Die künftige Regierungsampel hat ihren ersten richtigen Test bestanden. Die Wahl von Olaf Scholz zum neuen Bundeskanzler ging problemlos über die Bühne. Dass der neue Regierungschef dabei nicht sämtliche Stimmen der drei Regierungsfraktionen erhielt, ist da nur ein winziger Schönheitsfehler. Das haben auch schon Kanzler und die Kanzlerin vor ihm erlebt. Mit hanseatisch-kühlem Understatement hat Scholz das vorgeschriebene, unvermeidliche Prozedere abgeleistet. Ob der Hamburger allerdings ein großer Kanzler werden wird, wie etwa einer seiner SPD-Vorgänger Helmut Schmidt, muss sich erst noch erweisen. Nun muss Scholz, nun muss die gesamte Ampel liefern. Eine Schonfrist wird ihr nicht eingeräumt. Und wohlklingende Überschriften aus dem Koalitionsvertrag sind noch keine reale Politik.

Dass jede neue Regierung vor großen Herausforderungen steht, ist eine Binsenweisheit und gern gebrauchte Floskel. Für die nun ins Amt gekommene Ampel-Regierung trifft dies jedoch in besonderem Maße zu. Sie muss aus dem Stand heraus die Corona-Krise managen und gleichzeitig die anderen großen Politikfelder beackern. Immerhin wurde nicht weniger als ein Aufbruch in der Klimapolitik und der Umbau der Industrie versprochen. Scholz, Habeck, Lindner und Co. übernehmen dabei ein Land im Krisenmodus. Wenn es nicht gelingen sollte, die Pandemie einzudämmen, dann drohen viele Vorhaben der Ampel zur Makulatur zu verkommen.

Allein die Staatsverschuldung hat sich infolge der Pandemie auf schwindelerregende Höhen hochgeschaukelt. Und ein Ende ist nicht absehbar. Das tückische Corona-Virus dürfte weitere Milliarden Euro aus der Staatskasse verschlingen. Das wird kein leichter Job für den neuen Finanzminister Christian Lindner. Der Ober-Liberale hat zwar das Mantra seiner Partei - keine höheren Steuern und die bald wieder einzuhaltende Schuldenbremse - in den Koalitionsvertrag hinein verhandelt. Doch ob er als künftiger Kassenwart dies lupenrein wird durchhalten können, steht auf einem anderen Blatt.

Auch die liberale Finanz- und Haushaltspolitik, die viel mit der der Union gemein hat, steht vor einem knallharten Praxis-Check. Lindner bleibt im Grunde nicht viel mehr als die Hoffnung, dass die Konjunktur in Deutschland und weltweit, trotz Corona, wieder kräftig anzieht und die Steuerquellen hierzulande wieder sprudeln wie vor der Pandemie. Sicher ist das freilich keineswegs. Es hat nach der schlimmen Finanzkrise 2008/09 allerdings schon einmal funktioniert.

Beim zweitgrößten Koalitionspartner, den Bündnisgrünen mit Super-Minister Robert Habeck, gibt es zum Regierungsstart auch einige lange Gesichter. Und das nicht nur wegen des unglücklichen Personalgerangels um Regierungsposten. Zwar steht die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels bei der Erderwärmung im Koalitionsvertrag. Doch das ist nur eine allgemeine Absichtserklärung, deren Bindewirkung in der täglichen Politik unklar bleibt. Die anspruchsvolle klimapolitische Agenda der Grünen ist bereits im Koalitionsvertrag verwässert worden. Symptomatisch dafür steht, dass der frühere Ausstieg aus der Braunkohle, bereits 2030 statt 2038, nur "idealerweise" angestrebt wird. Der Jamaika-erfahrene Flensburger Robert Habeck übernimmt einen der härtesten Jobs, der in der neuen Regierung zu vergeben war.

Dass an Scholz' Kabinettstisch keine Minister, keine Ministerinnen aus Bayern sitzen, aber immerhin eine Hand voll Staatssekretärsposten aus dem Freistaat kommen, hat damit zu tun, dass er den Regionalproporz nicht sonderlich wichtig nimmt. Zum Problem dürfte das allerdings werden, wenn man sich in Bayern von der neuen Regierung vernachlässigt fühlen sollte. Doch weiß Scholz aus Erfahrung, dass er für viele Ampel-Vorhaben das Votum Bayerns und der Union im Bundesrat benötigt. Locker durchregieren kann die neue Regierung jedenfalls nicht.

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