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Bloß jetzt noch kein Wahlkampf/Die SPD hat sich festgelegt, die Union ringt noch, die FDP stellt sich neu auf - die Personaldebatten nehmen zu früh an Fahrt auf. Leitartikel von Jana Wolf

Regensburg (ots)

Die politische Sommerpause ist die Zeit der Sommerinterviews, und weil im Sommerloch kaum aktuelle Themen anstehen, giert die heruntergedimmte Polit-Öffentlichkeit zumindest nach ein paar personellen Neuigkeiten. Wer traut sich die Kanzlerschaft zu? Wer empfiehlt wen? Wer will nach der Wahl mit wem koalieren und mit wem nicht? Auf solche Fragen kann man sich bei der obligatorischen Befragung der Polit-Granden vor Reichstagskulisse getrost einstellen. Sie kommen gewiss. Grünen-Co-Chef Robert Habeck antworte darauf am Sonntag auf seine eigene Art: Die Grünen seien zweitstärkste Kraft, weil sie sich auf die Sachfragen konzentrieren würden, "weil wir uns nicht mit uns selbst und der Parteistrategie beschäftigen", sagte Habeck in der ARD. Er wolle die Stärke seiner Partei nicht schwächen, indem er sich 13 Monate vor der Wahl "in unsinnige Koalitionsdebatten" verstricke. Das mag hochnäsig klingen und dem Grünen-Chef den Vorwurf einbringen, er verweigere die Aussage. Doch in diesem Punkt hat Habeck recht. Der Fokus auf Inhalte ist die richtige Antwort auf die derzeitige Lage. Für Personalfragen zur Wahl ist es zu früh. Mitten in der Corona-Krise sind sie fehl am Platz. Es gibt wichtigere Probleme, auf deren Bewältigung sich die politische Aufmerksamkeit nun richten sollte. Soziologen, Sozialarbeiter und -politiker warnen davor, dass Corona die Ungleichheiten in unserer Gesellschaft weiter verschärft. Die Pandemie betrifft zwar alle, aber nicht alle im gleichen Maß. Schulschließungen, wegfallende Kinderbetreuung, wegbrechende Aufträge, drohender Jobverlust - mit solchen Krisenfolgen haben die sozial Schwächeren, Geringverdiener und Bildungsarmen viel stärker zu kämpfen als die Gutsituierten. Hinzu kommt, dass das Instrument der Kurzarbeit zwar kurzfristig größeren Schaden abwenden konnte. Doch noch sind weitere Jobverluste und Unternehmenspleiten nicht ausgeschlossen. Das gesamte Ausmaß sozialer und wirtschaftlicher Corona-Folgen - hier freilich nur stakkato-artig angedeutet - zeichnet sich erst allmählich ab. Die politischen Akteure müssen sich mit aller Kraft hinter die Krisenbewältigung klemmen - und sich nicht in Wahlkampf-Fragen verlieren. Nun nehmen die Machtdebatten in den Parteien freilich nicht alleine deswegen an Fahrt auf, weil die Hauptstadtpresse danach fragt. Die SPD-Spitze hat vor eineinhalb Wochen aus eigenen Stücken eine Pressekonferenz einberufen und für viele überraschend Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten gekürt. Scholz beteuert zwar bei jeder Gelegenheit, dass damit der Wahlkampf nicht ausgerufen sei und die "ganz normale Regierungsarbeit" weitergehe. Doch das ist wohlfeil. Natürlich tritt Scholz ab jetzt nicht mehr nur als amtierender Vizekanzler und Finanzminister auf, sondern auch als erster Wahlkämpfer der SPD. Diese Rolle wird er bis zum Herbst 2021 nicht mehr los. Es wird nun ganz genau darauf geachtet werden, wie geschlossen die Partei agiert. Auch die FDP ist voll mit Personalrochaden beschäftigt. Parteichef Christian Linder kündigte an, Generalsekretärin Linda Teuteberg vorzeitig durch den rheinland-pfälzischen Wirtschaftsminister Volker Wissing auszutauschen. Auch andere Posten, darunter der Schatzmeister, sollen neu besetzt werden. Die Liberalen managen damit im besten Fall die eigene Krise, die Corona-Folgen aber sicherlich nicht. In der Union, die offenkundig vor ungeklärten Führungsfragen steht, sind die Reaktionen gespalten: Während CSU-Chef Markus Söder die SPD-Nominierung "verheerend" nannte, übt sich CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak in demonstrativer Gelassenheit. Klar ist, dass die aufkommenden Wahlkampf-Manöver den Zugzwang auf alle politischen Kräfte erhöhen. Die Aufgabe der Stunde ist jetzt, die Dynamik der parteipolitischen Selbstbeschäftigung auszubremsen. Es gibt drängendere Probleme zu lösen, die die ganze Gesellschaft betreffen.

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