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Mittelbayerische Zeitung: Sehnsucht nach dem starken Mann/Bei BMW ist man offenbar froh über das Ende der Ära Harald Krüger/von Bernhard Fleischmann

Regensburg (ots)

Wer Vorstandschef bei BMW werden will, darf nicht selbst den Blinker links setzen und auf die Überholspur steuern. Vielmehr soll er sich durch vorangegangene Leistungen automatisch aufdrängen. Oliver Zipse hat sich genau an diesen Brauch gehalten. Insofern ist seine Berufung an die Spitze des traditionsreichen Autoherstellers alles andere als eine Überraschung, sondern eine Bestätigung der bisherigen Besetzungskultur. Nun aber darf er loslegen, und er soll verbal wie auch in Taten Gas geben, heißt es allerorten aus dem Unternehmen und dem Umfeld. Die Botschaft dahinter: Vorgänger Harald Krüger hat sich in dieser Hinsicht allzu sehr zurückgehalten. Überschwängliches Bedauern über seinen Abgang spart sich der Konzern im Umgang mit dem scheidenden Vorstandschef. Sehr konsensorientiert sei er und zu nachdenklich, wird ihm vorgeworfen. Wenn Konsens und Nachdenken als negative Eigenschaften gesehen werden, dann bewegt man sich allerdings in einer Welt, in der sich ein Mensch mit einem sozialverträglichen emotionalen Kostüm kaum wohlfühlen kann. Krüger wirkte wie ein wohltuender Antityp des kalten Managers. Deshalb ist er offenbar gescheitert. Gleich zu Beginn seiner Berufung wurde ihm ein Schwächeanfall bei einem Auftritt auf der Internationalen Automobilmesse in Frankfurt vor den Augen der Weltöffentlichkeit zum Verhängnis. Seitdem flogen immer wieder verbale Pfeile aus dunklen Hecken, die seine Führungsqualitäten ankratzten. Auch Aufsichtsratschef Norbert Reithofer und der IG Metaller Horst Lischka betonen, dass man jetzt Führungskompetenz und klare Positionierung erwarte. Der zermürbte Krüger, der wirkt, als würde ihm mit der Verantwortung für BMW eine große Last abgenommen, stand für eine andere Idee. Unter anderem wollte er sich nicht auf nur eine Antriebstechnologie für die Zukunft festlegen. Wasserstoff, Verbrenner, Hybride, Batterie - alles sollte BMW weiterhin beherrschen, weil noch keiner so recht weiß, was sich am Ende durchsetzt. Nun spricht zurzeit sehr viel dafür, dass die Stromer das Rennen in den großen Weltmärkten machen, allein deshalb, weil China mit seinem Megamarkt diese Richtung vorgibt. Mit ein bisschen Neid und Wehmut blicken einige bei BMW nach Wolfsburg. Dort schüttelt es den vormaligen BMW-Manager Herbert Diess wegen der Dieselbetrügereien zwar gewaltig durch. Aber er hat ganz klar entschieden, dass bei Volkswagen mit aller Konsequenz die Reise in Richtung Elektroauto geht. Offenbar fehlt es den Münchnern momentan an einer solchen leuchtenden Vision, an die alle glauben und die sie mitreißt. Dieser Mangel scheint ein gravierender Nachteil des krügerschen Führungsverständnisses zu sein. Zipse muss bald klären, ob BMW an dieser Technologieoffenheit festhält oder sich eindeutig auf dem Elektropfad positioniert. Dort ist BMW nach den Pioniermodellen i3 und i8 in ein Loch gefallen, das erst in zwei Jahren mit grundlegend neuen Modellen richtig aufgefüllt wird - zu spät für Krüger, um damit zu glänzen. Für Aufsehen sorgte zuletzt dagegen der Riesen-SUV X7 - ein brandneues Auto, das heute schon wie ein trotziges Trumm Vergangenheit wirkt. Drohende Milliardenstrafen wegen zu hoher Verbrauchswerte, Neuausrichtung des gesamten Geschäfts inclusive Mobilitätsdienstleistungen, noch weitergehende Kooperationen - die gewaltigen Aufgaben sind für alle gleich, egal ob Volkswagen, Daimler oder BMW. Und alle verdienen zurzeit weitaus weniger Geld, als sie sich auf Dauer vorgenommen haben. In unübersichtlichen Zeiten wie diesen sehnen sich Menschen nach Orientierung, Führung, "dem starken Mann". Ob Zipse diese Bedürfnisse hinreichend befriedigen kann, wird sich bald zeigen.

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