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Mittelbayerische Zeitung: Macron hat Porzellan zerschlagen. Der französische Präsident wird wohl kein Reformprogramm mehr durchsetzen können - das hat weitreichende Folgen. Von Daniela Weingärtner

Regensburg (ots)

Als Emmanuel Macron vor 19 Monaten die französischen Präsidentschaftswahlen gewann, jubelte ihm Europas Elite zu. Endlich war der Trend gebrochen. Mit einer proeuropäischen Kampagne hatte er die EU-Hasserin Marine le Pen bezwungen. Der populistische Siegeszug nationalistischer Parteien schien gestoppt, der Brexit und Donald Trumps Twitter-Tiraden verloren ein wenig von ihrem Schrecken. Doch nach den gewaltsamen Protesten der vergangenen Tage steht Emmanuel Macron vor dem Scherbenhaufen seiner Politik. Vom Bild des strahlenden, mutigen Reformers ist nichts geblieben. Die Folgen sind nicht nur für Frankreich, sondern für die gesamte EU verheerend. Besänftigungsgeschenke im Umfang von zehn Milliarden Euro könnten dazu führen, dass Frankreich ein weiteres Mal die Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent reißt. Doch das ist nicht das größte Problem. Bei der Gesamtverschuldung steht das Land mit knapp 100 Prozent Bruttoinlandsprodukt noch immer deutlich besser da als Italien. Viel gravierender ist, dass Macron nun wohl keines der Reformprogramme mehr wird durchsetzen können, die Frankreichs Wirtschaft wieder konkurrenzfähig und die Sozialsysteme überlebensfähig machen sollten. Inspiriert durch die in Deutschland erfolgreiche Agenda 2010 wollte Macron eigentlich die Lohnkosten senken, den Kündigungsschutz lockern und die Ausbildung verbessern. Damit sollte vor allem die noch immer viel zu hohe Jugendarbeitslosigkeit reduziert werden. Frankreichs Wirtschaft sollte den dringend benötigten Wachstumsimpuls bekommen. Das alles wird nun nicht passieren. Deshalb wird die Rechnung für den Aufstand der Gelbwesten mittelfristig noch viel höher ausfallen, als es die Sofortmaßnahmen nahelegen. Die nordischen, einen strikten Sparkurs befürwortenden Länder, vor allem Deutschland, haben einen Partner verloren, der mit dem Versprechen angetreten war, sein Land fürs 21. Jahrhundert fit zu machen und dafür zu sorgen, dass es nicht zur Belastung für die Eurozone wird. Im Gegenzug sollten die Währungspartner bereit sein, das Risiko künftig auf alle Schultern zu verteilen, Stichwort: EU-Einlagensicherung, EU-Arbeitslosenversicherung und Europäischer Währungsfonds. Es ging darum, auf nationaler Ebene mehr Marktliberalismus durchzusetzen und im Gegenzug Europa sozialer zu machen. Für die Europawahl im kommenden Juni sind die Vorgänge in Frankreich ein weiteres schlechtes Omen. Die Beliebtheitswerte Macrons sind im Keller, sein proeuropäischer Kurs ist gescheitert. Die Hoffnungen auf einen europaweiten liberalen Siegeszug, der den befürchteten Aufstieg nationalistischer Kräfte bremsen könnte, sind zerstoben. Auch die populistische Regierung in Rom triumphiert angesichts von Macrons Niederlage. Matteo Salvini ist überzeugt, dass man Frankreichs Präsidenten in Brüssel angesichts seiner Schwierigkeiten zuhause mit Samthandschuhen anfassen und die Regeln des Stabilitätspakts für Frankreich ein weiteres Mal lockern wird. Sollte das geschehen, müsste auch das Defizitverfahren gegen Italien gestoppt werden. Doch Europa darf sich nicht von zornigen Demonstranten die Regeln diktieren lassen. Macrons Kollegen müssen deutlich machen, dass in einem gemeinsamen Währungsraum letztlich alle die Zeche für seine Besänftigungsgeschenke und seine gebrochenen Reformversprechen zahlen. Bei den Wählern in den anderen Ländern der Eurozone könnte das nationalistische und antieuropäische Reflexe weiter verstärken und die Bereitschaft zur Solidarität senken. Mit seinem Kurswechsel hat Macron vielleicht ein paar Fensterscheiben in Paris gerettet, auf europäischer Ebene aber viel Porzellan zerschlagen.

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