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Mittelbayerische Zeitung: Der Richtige für den Chefsessel?
Mit Weber kandidiert ein Mann des Ausgleichs für den mächtigsten Job in Brüssel. Er muss noch zeigen, dass er den Aufgaben gewachsen ist. Von Daniela Weingärtner

Regensburg (ots)

Die entscheidende Frage, die sich mit Manfred Webers Kandidatur für die Juncker-Nachfolge stellt, lautet nicht, ob ein Deutscher sich auf einen so machtvollen EU-Posten bewerben sollte. Walter Hallstein, der einzige Deutsche, der je den Posten des Kommissionspräsidenten innehatte, räumte ihn vor 51 Jahren - übertriebene Ambitionen kann uns in dieser Sache also niemand nachsagen. Man muss sich hingegen damit befassen, ob Weber in der aktuellen Lage der Richtige für den Job ist. Der Niederbayer gilt als Mann des Ausgleichs. Einer, der Angela Merkel und den ungarischen Hardliner Victor Orban gleichermaßen für sich gewinnen kann, schafft es vielleicht auch, die tiefe Kluft zu überbrücken, die sich zwischen Ost- und Westeuropa aufgetan hat. Mit genau diesem Argument bewirbt sich der EVP-Fraktionschef um die Wählergunst. Doch könnte gerade diese Geschmeidigkeit auch viele Wähler davon abhalten, der EVP ihre Stimme zu geben. Seit Jahren tritt Orban die Demokratie mit Füßen und zeigt der EU den Stinkefinger. Kommende Woche wird das Parlament vermutlich beschließen, ein Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 7 gegen Ungarn zu fordern. Wenn Weber zu dem steht, was er bislang öffentlich bekannt hat, müsste er diesen Antrag eigentlich unterstützen. Doch vermutlich wird er das nicht tun, um seine Chancen bei der Kandidatenkür nicht zu schmälern. Seine Analyse stimmt durchaus: Die Zahl derer, die sich in der EU mit ihren Sorgen und Nöten nicht mehr gut aufgehoben fühlen, wächst ebenso wie die Kluft zwischen Ost und West. Die Menschen machen ihrem Frust und ihrem Ärger Luft, indem sie europafeindliche Parteien wählen. Doch kann ein Mann wie Weber sie zum Umdenken bewegen? Wer seine Bewerbungsrede gestern gehört hat, muss daran zweifeln. Es gehe um Europas Selbsterhalt, die Verteidigung der gemeinsamen Werte, um das Überleben des europäischen Freiheitsmodells - so umriss er seine künftigen Ziele. So oder so ähnlich hat das auch Jean-Claude Juncker schon dutzendfach gesagt. In seiner Amtszeit werde sich Europas Fortbestehen oder Untergang entscheiden, hatte er recht pathetisch vor vier Jahren prophezeit. Seither ist die Zahl der Euroskeptiker und derer, die die EU abschaffen möchten, weiter gestiegen. Obwohl Weber mit seinen 46 Jahren für EU-Verhältnisse ein vergleichsweise junger Politiker ist, spricht er die Sprache der älteren Herren, die die Verheerungen noch selbst erlebt haben, die überzogener Nationalismus anrichten kann. Die Lehren aus der Geschichte sind unverändert gültig, doch man muss für die jüngere Generation ein Wir-Gefühl entwickeln, das über die Botschaft "Nie wieder Krieg" hinausgeht. Emmanuel Macron hat es in Frankreich vorgemacht, ein Rezept für die gesamte EU ist das aber ganz sicher nicht. Man muss für die jüngere Generation eine länderübergreifende Botschaft finden. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, die es unerschrocken mit digitalen Konzernen aufnimmt, trifft mit ihrem Kampf für mehr Steuergerechtigkeit einen Nerv. Ihr traut man zu, sich von Donald Trump nicht einschüchtern und von Wladimir Putin nicht vorführen zu lassen. Erst kürzlich hat sie mit einer weit gespannten Europarede deutlich gemacht, dass ihr Horizont nicht bei ihren aktuellen Themen Wettbewerb und Beihilferecht endet. Derartige Konturen muss Weber erst noch gewinnen. Sein Job als EVP-Fraktionschef verschafft ihm zwar breite Unterstützung in der Partei, hindert ihn aber daran, im Wahlkampf klare Akzente zu setzen. Sein Vorschlag, Europas Jugend im Sommer mit Gratistickets auf Reisen zu schicken, reicht als Reformprogramm nicht aus.

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