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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Asylpaket II: Festung mit menschlichem Antlitz von Heinz Gläser

Regensburg (ots)

Wer hätte das noch Ende vergangenen Jahres prognostiziert? Der Trend ist nicht mehr der Freund der AfD. Aus dem scheinbar unaufhaltsamen Höhen- ist ein sanfter Sinkflug geworden. Die aktuelle Meinungsforschung wirft nicht mehr sagenhafte 15 oder mehr Prozent für die Rechtspopulisten aus, sondern nur mehr zehn bis elf Punkte. Der demoskopische Aderlass ist gewiss primär dem erbitterten Richtungsstreit in der Partei geschuldet, der sich in der Frage des Umgangs mit dem deutschnationalen Thüringer Einpeitscher Björn Höcke manifestiert. Doch gleichsam schleichend und ohne eigenes Zutun droht Frauke Petry & Co. die Raison d'Être der AfD abhandenzukommen. Die sogenannte Flüchtlingskrise büßt in der öffentlichen Wahrnehmung jene Wucht ein, die sie im Sommer 2015 entfaltete. Ihre Implikationen und Folgerungen mögen weiterhin den politischen Diskurs hierzulande dominieren, allein, die teils ins Irrationale lappende Komponente schleift sich ab. Dies hat, wie gesagt, nur indirekt mit der AfD zu tun. An deren Daseinsberechtigung nagt vor allem die Tatsache, dass die Bundesrepublik peu à peu die anfangs lauthals propagierte Willkommenskultur zu Grabe getragen hat. Ein Meilenstein auf diesem Weg war das am 25. Februar 2016 vom Bundestag verabschiedete Asylpaket II. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ja ihren legendären Satz "Wir schaffen das" selbst längst relativiert und ihr mutiges Diktum des Spätsommers 2015 verbal wieder eingefangen. De facto hat die deutsche Politik seither mit einer Flut von Maßnahmen Merkels Satz durch ein entschiedenes "..., aber" ergänzt. Die Akzente haben sich verschoben. Die aktuelle Willkommenskultur ist mit einer Vielzahl von Fußnoten versehen. Das drückt sich aus im anhaltenden Bestreben, den Kreis der "sicheren Herkunftsländer" immer großzügiger und unter Verzicht auf genaues Hinsehen zu definieren. Das fand seinen Niederschlag im stets wackligen Türkei-Abkommen, das den Zustrom über die Ägäis und die Balkan-Route versiegen ließ. Das spiegelt sich wider in der Eindämmung des Familiennachzugs und einer rabiateren Abschiebepraxis. Anhand weiterer Details der täglichen Asylpraxis im Land lässt sich der schleichende Tod der Willkommenskultur trefflich dokumentieren - so wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) eine bundesweite Hotline für jene Migranten einrichtet, die freiwillig in ihre Heimatländer zurückkehren. Für Schutzbedürftige wird es ein immer schwierigeres bis nahezu aussichtsloses Unterfangen, in unser Land zu gelangen. Erst wenn ihnen dies gegen alle Widerstände gelungen ist, kommen sie als anerkannte Asylbewerber in den Genuss großzügiger Integrationsförderung. Es ist durchaus eine Frage der persönlichen Lesart, ob man dies mit dem Stempel der sinnvollen Steuerung von Zuwanderung oder der gezielten Abschottung gegen die Flüchtlingsströme versieht. Für jene, die draußen vor dem Tor bleiben, sind dies allerdings sophistische Fragen. Die Deutschen neigen dazu, sich derzeit mit wohlfeilem moralischen Impetus über die Exzesse der US-Einwanderungspolitik unter dem neuen Präsidenten Donald Trump zu echauffieren. Sie sollten nicht übersehen, dass ihr Land selbst dabei ist, sich in eine Festung zu verwandeln. Dass diese Festung verglichen mit den USA ein menschlicheres Antlitz hat, ist für jene, die vergeblich Einlass begehren, ein gradueller Unterschied.

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