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Mittelbayerische Zeitung: Europa braucht Kontinuität - In einer neuen Amtszeit muss Angela Merkel wahrscheinlich sehr dicke Bretter bohren. Von Daniela Weingärtner

Regensburg (ots)

Man kann der Ansicht sein, nach zwölf Regierungsjahren sei es hohe Zeit für einen Wechsel an der Spitze der Bundesregierung. Noch dazu, wo Angela Merkel ihrer Erfolgsbilanz recht gern ausgerechnet das EU-Türkei-Abkommen voranstellt. Viele sehen darin eher einen Offenbarungseid, zeigt es doch, dass die Europäische Union zum Schutz ihrer Außengrenzen auf die Hilfe eines wankelmütigen Diktators angewiesen ist. Man kann aber auch zu dem Schluss kommen, dass in einem historischen Augenblick, wo die Welt ins Wanken zu geraten scheint, Kontinuität und Stabilität in der Mitte Europas keine schlechte Sache sind. Die Mehrheit der Europäer scheint Variante Zwei zuzuneigen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, nicht zu allen Zeiten ein Busenfreund der deutschen Kanzlerin, sieht in ihr ein Bollwerk gegen den Populismus und eine Verfechterin fundamentaler Werte. Kommentatoren von Spanien bis Schweden zeichnen am Tag nach Merkels Entscheidung für eine vierte Kandidatur das Bild einer zupackenden, verlässlichen Politikerin, zu der es derzeit in Deutschland und in der EU keine Alternative gebe. Sie lassen den Blick schweifen und zeichnen von Europas politischer Klasse ein verheerendes Bild. In Spanien soll es nach monatelanger Krise und zwei Wahlen der ungeliebte Konservative Felipe Rajoy richten, der sich noch nicht einmal auf eine Parlamentsmehrheit stützen kann. In Frankreich hat Präsident Francois Hollande abgewirtschaftet. Noch ist völlig unklar, wer ihn ablösen wird und ob die für Europa so wichtige Achse Paris-Berlin wiederauferstehen kann. Mit Britanniens neuer Premierministerin Theresa May kommt Merkel ganz gut zurecht - doch bei den Austrittsverhandlungen verfolgen die beiden gegenläufige Interessen. Wie die Post-Brexit-Beziehungen zwischen Berlin und London aussehen, wird man erst in ein paar Jahren wissen. Matteo Renzi muss am 4. Dezember in Italien ein Referendum überstehen, bevor klar ist, ob er weiter zum Club gehören wird. Am selben Tag wird in Österreich ein neuer Bundespräsident gewählt. Sollte der Rechtspopulist Norbert Hofer gewinnen und in Frankreich gar Marine Le Pen im kommenden April Präsidentin werden, wird Merkels Kreis möglicher Kooperationspartner in der Flüchtlings-, Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik noch kleiner. Das alles hat die deutsche Kanzlerin im Blick, wenn sie davor warnt, sich von einer vierten Amtszeit Merkel Wunder zu versprechen. Einer allein könne nicht viel ausrichten, hat sie am Wochenende mehrfach betont - und schon gar nicht die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Hinzu kommt, dass Merkel auch in Übersee eine wichtige mögliche Bündnispartnerin verloren hat. Hillary Clinton und Angela Merkel sind sich, was Fleiß, Machtwillen und protestantische Pflichterfüllung angeht, nicht unähnlich. Über die Linien künftiger transatlantischer Zusammenarbeit hätten sie sich ganz sicher pragmatisch verständigen können. Stattdessen hat es Merkel nun nicht nur mit Putin und Erdogan zu tun, sondern auch mit Donald Trump in den USA. Merkel wird auch diese Herausforderung in ihrer unaufgeregten lakonischen Art annehmen - falls sie nach der nächsten Bundestagswahl noch einmal eine parlamentarische Mehrheit unter ihrer Führung zusammenbekommt. Die Ausgangslage für Europa ist diesmal ungleich schwieriger als nach ihrer Wahl 2013 und sogar komplizierter als 2009 mitten in der Finanzkrise. Damals spekulierte die Welt, dass der Euro die Erschütterungen vielleicht nicht überleben würde. Heute steht die Zukunft des vereinten Europa auf dem Spiel.

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