WHU - Otto Beisheim School of Management
Technologie im Spitzensport – Para Sport als Innovationsmotor mit ungenutztem Potenzial
One document
Eine aktuelle Delphi-Studie der WHU – Otto Beisheim School of Management untersucht das Potenzial und die Beschränkungen neuer Technologien im Spitzensport.
Technologie im Spitzensport – Para Sport als Innovationsmotor mit ungenutztem Potenzial
Werden sportliche Talente zukünftig nur noch über Künstliche Intelligenz gesichtet? Wird Training in virtuellen Welten deutschen Sportlerinnen und Sportlern zu neuen Spitzenleistungen verhelfen? Und welche Rolle spielen derartige Technologien für den Para Sport? Diesen Fragen geht das Center for Sports and Management (CSM) an der WHU – Otto Beisheim School of Management in einer neuen Studie nach. Die vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft geförderte Delphi-Studie „Technologien im Spitzensport im Jahr 2040“ stützt sich auf die Einschätzungen von 62 Expert:innen aus verschiedenen Bereichen des Spitzensports, darunter Sportverbände, aktive und ehemalige Spitzensportler:innen sowie Trainer:innen aus dem Para und Nicht-Para Sport. Auch Vertreter:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Tech-Start-ups und Medien wurden befragt.
Konkret schätzten die Expert:innen die Eintrittswahrscheinlichkeit 14 zukunftsorientierter Aussagen zum Thema Technologien im Spitzensport für das Jahr 2040 ein. Sie beurteilten auch die Auswirkungen und Attraktivität von zum Beispiel KI-gestützter Nachwuchssichtung, ortsunabhängigem Training mittels immersiver Technologien oder der Interaktion zwischen Sportkonsument:innen und Avataren der Spitzensportler:innen. Eine wesentliche Erkenntnis der von Prof. Dr. Sascha L. Schmidt und Alexandra Büchling geleiteten Studie: Technologie kann zum Motor neuer Wettbewerbsfähigkeit werden – aber nur, wenn strukturelle Barrieren abgebaut werden. Dazu zählen etwa unklare Zuständigkeiten sowie die fehlende Standardisierung im Umgang mit Daten und innovativen Technologien innerhalb der Verbände. Eine verbandsübergreifende Zusammenarbeit, etwa durch gemeinsame Datenstrategien, digitale Infrastrukturpartnerschaften oder besser koordinierte Förderungen zwischen Verbänden, Technologiepartnern und politischen Akteur:innen, kann hier Abhilfe schaffen.
Werden diese Chancen verpasst, drohen technologische Innovationen an einem Mangel von finanziellen Ressourcen und am fehlenden Aufbau technologischen Know-hows zu scheitern, warnen die Wissenschaftler. Prof. Dr. Sascha L. Schmidt sagt: „Vor allem im Para Sport wird deutlich, dass das große Potenzial, das diese Technologien mit sich bringen können, bislang zu selten systematisch erschlossen wird. Dabei bieten sich gerade in diesem Bereich des deutschen Spitzensports große Chancen durch die Einführung von Innovationen.“ Denn Technologie ist im Para Sport nicht selten Grundvoraussetzung sportlicher Betätigung, etwa in Form von Prothesen, Assistenzsystemen oder digitaler Kommunikationstools. „Der Para Spitzensport erweist sich dadurch als prädestinierter Innovationsraum, insbesondere im Umgang mit Barrierefreiheit, Mensch-Maschine-Interaktion und digitaler Teilhabe. Noch dazu hat er die Möglichkeit, weit über den Sport hinaus zu wirken“, ergänzt Dr. Christoph Weber, Bundestrainer Wissenschaft beim Deutschen Behindertensportverband (DBS) weiter.
Schlüsselerkenntnisse der Studie
Kooperation statt Parallelstrukturen: Einige Expert:innen sehen in der Trennung von Para Sport und Nicht-Para Sport ein zentrales Hindernis für den Technologieeinsatz – insbesondere in Spitzenverbänden mit begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen. Die institutionelle Trennung erzeugt Doppelstrukturen, Reibungsverluste und beschränkten Einblick in die jeweils andere Systemlogik. Eine funktionale Zusammenarbeit wird von den Expert:innen als wirkungsvoller Hebel zur Erschließung bislang nicht genutzter Potenziale gesehen (Eintrittswahrscheinlichkeit [EW] für verstärkte Kooperation im Technologiebereich: 64 %).
Hoher Aufwand schreckt ab: Müssen Technologien stark standardisiert sein, mit großen Datenmengen arbeiten oder erfordern sie viel Aufwand in der Umsetzung, sinken laut Expert:innen vor allem die Chancen, dass sie im Para Sport zum Einsatz kommen. So wird unabhängig von der technischen Machbarkeit, der Einsatz virtueller Avatare (EW: 60 % im Para Sport, 75 % im Nicht-Para Sport), immersiver Trainingsumgebungen (EW: 49 % im Para Sport, 54 % im Nicht-Para Sport) oder der Monetarisierung von Leistungsdaten durch Spitzenverbände (EW: 42 % im Para Sport, 49 % im Nicht-Para Sport) im Para Sport weniger wahrscheinlich eingeschätzt als im Nicht-Para Sport.
Skepsis bei sportlichen Kernelementen: Eingriffe in zentrale sportliche Prozesse wie etwa eine KI-basierte Nachwuchssichtung werden von den Expert:innen eher skeptisch bewertet. Trotz bereits laufender Pilotprojekte ist der Einsatz solcher Praktiken nach Einschätzung der Expert:innen auch im Jahr 2040 wenig wahrscheinlich (EW: 34 % im Para Sport, 50 % im Nicht-Para Sport). Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der möglichen Zulassung leistungssteigernder Technologien wie der Anwendung von Biotechnologie oder Exoskeletten in spezifischen Wettbewerbsformaten (EW: 42 % im Para Sport, 39 % im Nicht-Para Sport).
Die Studie zeigt Wege auf, wie technologische Innovation im Spitzensport realisiert werden kann und beleuchtet übergreifende Rahmenbedingungen wie Investitionsbereitschaft, notwendige Schlüsselkompetenzen und technologische Vorbehalte auf Managementebene.
Das CSM bedankt sich bei allen Beteiligten für die Unterstützung, insbesondere dem DBS als Kooperationspartner der Studie, namentlich Dr. Christoph Weber, sowie beim Bundesinstitut für Sportwissenschaft, für die Förderung der Studie.
Wie Delphi-Studien funktionieren
Die Delphi-Methode ist eine anerkannte Technik zur Strukturierung von Gruppen- Kommunikationsprozessen. Sie verfolgt eine zukunftsgerichtete Perspektive und ermöglicht die Bewertung der Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Entwicklungen, beispielsweise in der Sportbranche, eintreten könnten. Das Center for Sports and Management der WHU verfügt über umfassende Expertise bei der Durchführung von Delphi-Studien, sowohl für wissenschaftliche Publikationen als auch für Presseartikel.
Sollten Sie weitere Fragen haben oder ein Interview mit einem der Autoren der Studie führen möchten, wenden Sie sich gerne an presse@whu.edu
Das Center for Sports and Management an der WHU
Das 2014 als Teil der Entrepreneurship and Innovation Group an der WHU gegründete Center for Sports and Management (CSM) ist ein dynamisches Team von Sport-Enthusiasten, das sich den neuen Geschäftsanforderungen der Sportindustrie widmet. Die Forschungs- und Lehrtätigkeit konzentriert sich auf Bereiche, die für die Branche von grundlegender Bedeutung sind, wie z. B. Diversifikationsstrategien von Unternehmen im Sport (einschließlich Internationalisierungsbestrebungen), die Auswirkungen von Spitzentechnologien (z. B. künstliche Intelligenz, Blockchain und immersive Technologien) auf den Sport und die Stadionökonomie, die sich mit Herausforderungen wie dem No-Show-Verhalten von Fans befasst. Beheimatet an einer der besten Business Schools in Europa hat sich das CSM zum Ziel gesetzt, Führungskräfte aus dem Sportbusiness auf eine Zukunft vorzubereiten, in der technologisches Fachwissen entscheidend ist. Dabei versteht das CSM sich als Sparringspartner, der etablierte Normen in Frage stellt, an innovativen Lösungen forscht und eng mit den Unternehmen zusammenarbeitet, um sowohl deren Organisationen als auch deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zeiten ständigen Wandels zu stärken.
_____________________________________
Kerstin Leitel Associate Director Public Relations WHU – Otto Beisheim School of Management Campus Vallendar, Burgplatz 2, 56179 Vallendar, Germany Tel.: +49 261 6509-540; presse@whu.edu; www.whu.edu WHU – Otto Beisheim School of Management is the Business School of the WHU Foundation.