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WAZ: Die Ära Mursi ist zu Ende. Kommentar von Martin Gehlen

Essen (ots)

Auch wenn der formale Schlussakt der Generäle noch auf sich warten lässt, die Ära Mursi ist zu Ende. Ein Jahr konnte sich der islamistische Präsident an der Spitze halten. Zusammen mit Millionen Demonstranten ist nun offenbar auch Ägyptens Armeeführung entschlossen, ihm die Rote Karte zu zeigen und das Steuer wieder in die Hand zu nehmen. Die Verfassung wird ausgesetzt, der demokratisch gewählte Staatschef abgesetzt. Die Hauptverantwortung liegt bei Mursi und der Führung der Muslimbruderschaft. Ihr islamistischer Verfassungscoup im November war die politische Ursünde. Bei ihren Großzielen einer islamistischen Staatsordnung waren die Muslimbrüder niemals zu echten Kompromissen mit der liberalen muslimischen Minderheit oder den Christen bereit. Beigetragen zu der destruktiven Polarisierung aber hat auch die Opposition. Ihre Führer und Gruppen sind heillos zerstritten. Das Einzige, was die Opposition zusammenhält, ist die rauschhafte Wiederholung der revolutionären Verbrüderung gegen den Mann an der Spitze - erst Mubarak, jetzt Mursi. Doch auch dieser zweite Taumel wird bald verflogen sein und die Probleme werden wieder zutage treten. Die Unversöhnlichkeit beider Lager hat das Einschreiten der Generäle am Ende unausweichlich gemacht und könnte eine ganz neue Dimension innerer Gefahren lostreten. Der radikale Teil des islamistischen Spektrums wird in den Untergrund abtauchen. Was das bedeutet, kennen viele Nachbarn zur Genüge - Autobomben und Entführungen, politische Morde und Hinterhalte. Gleichzeitig schafft das Straßen-Referendum gegen Mursi einen problematischen Präzedenzfall. Denn die Halbwertzeiten des ägyptischen Volksjubels sind kurz. Vor vier Wochen war eine neue Machtübernahme durch die Armee Horrorszenario des demokratischen Lagers, jetzt wurden die Militärhubschrauber über dem Tahrir mit Jubel begrüßt. Wenn sich für Ägyptens Straße das Recht einbürgert, mit den Füßen über seine demokratisch gewählten Staatschefs abzustimmen, wird der Mann auf dem Präsidentensessel künftig immer schneller wechseln. Die vertrackten Probleme des Landes aber bleiben.

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