Berliner Morgenpost: Eine verheerende Botschaft
Leitartikel von Christine Richter
Berlin (ots)
Berlin ist tatsächlich ein besonderes Pflaster: In den vergangenen drei Tagen, seit dem Wahlwiederholungstag und dem historischen Sieg für die Berliner CDU, der historischen Niederlage für die Berliner SPD, hat man den Eindruck, als ob die Politikerinnen und Politiker - zumindest sehr viele von ihnen, dazu noch die an führender Stelle - die Augen verschließen vor eben jenen historischen Ergebnissen. Vor der Niederlage und vor dem Wunsch der Wähler nach einem Regierungs- und Politikwechsel.
Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) spricht in die Kameras von Demut vor dem Wahlergebnis, lässt dieser Aussage aber sofort ein "aber" folgen. Sie bringt es sogar fertig, zu sagen: "Ich spüre persönlich Verantwortung für unsere Stadt." Das erinnert dann sehr an den Noch-Bausenator Andreas Geisel (SPD), der als damaliger Innensenator für die Wahlorganisation 2021 verantwortlich war, also auch für die zahlreichen Wahlpannen - und nach dem Wahldebakel auch erklärte, er spüre Verantwortung, werde aber im Amt bleiben. In jedem anderen Bundesland hätte ein Innensenator seine Verantwortung wahrgenommen und wäre zurückgetreten. Man muss befürchten, dass Geisel ebenso wie Giffey meint, nach dieser Wahlniederlage einfach weitermachen zu können. Wegreden wollen die rot-grün-roten Politiker auch die Tatsache, dass die Wahl vom 26. September 2021 vom Verfassungsgericht ungültig erklärt worden war - und es nur deshalb zum Wahltag am vergangenen Sonntag kam. Das Wahlergebnis von 2021, es zählt nicht.
Aus dieser Wahlwiederholung ging nun die CDU als Siegerin hervor, die rot-grün-roten Parteien wurden abgestraft. Auch in den Bezirken. Doch auch dort meinen nun etliche Bezirksbürgermeister von SPD und Grünen, sie könnten einfach im Amt bleiben. Obwohl sich etwa in Spandau und Reinickendorf die Mehrheitsverhältnisse in den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) dramatisch geändert haben. Auch in Neukölln ist die SPD abgewählt worden - dort ist die CDU nun wieder stärkste Partei, Giffey hat bekanntlich noch nicht einmal ihren Wahlkreis gewinnen können, sondern haushoch gegen einen unbekannten CDU-Politiker verloren. Aber Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) will ebenso im Amt bleiben wie die Grünen-Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch in Charlottenburg-Wilmersdorf oder die Spandauer Bezirkschefin Carola Brückner (SPD).
Sicherlich, als Wahlbeamte sind alle Bezirksbürgermeister und Stadträte in einer besonderen Situation. Treten sie jetzt von sich aus zurück, verlieren sie ihre Versorgungsansprüche. Werden sie von der neu gewählten BVV mit einer Zweidrittel-Mehrheit abgewählt, ist dies nicht der Fall. Da geht es um viel Geld, das muss man bedenken. Aber warum fehlt SPD, Grünen und Linken der Mut, diese Wechsel in den Bezirksämtern per Gesetz ordentlich zu regeln - so wie es im Übrigen CDU und FDP schon vor dem Wahltag vorgeschlagen haben?
Schon das Debakel bei der Durchführung der Wahlen 2021 war kein Witz, sondern ein schwerwiegender Vorgang. Nicht, weil Berlin sich mal wieder bundesweit blamiert hatte, sondern weil das elementare Recht, das Wahlrecht, stark beschädigt wurde. Durch die Wiederholungswahl sollte bei den Wählerinnen und Wählern in Berlin das Vertrauen wieder hergestellt werden. Die Botschaft "Wir bleiben einfach im Amt, egal wie die Wahl ausgegangen ist", ist verheerend - für die Wähler, für Berlin, aber auch für die Demokratie.
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