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Ärztemangel ist gesamtgesellschaftliches Problem
Therapien gegen chronische Unterfinanzierung

Berlin (ots)

„Langfristig können wir uns den Einstieg in ein
Kostenerstattungssystem vorstellen. Dabei setzen wir weiterhin auf
das Sachleistungsprinzip, in dem die ärztliche Leistung mit festen
Preisen vergütet wird“, erklärte heute Dr. Andreas Köhler,
Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Gemeinsam mit Dr. Hans-Joachim Helming, dem Sprecher der
Arbeitsgemeinschaft der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) in den
neuen Bundesländern, sowie Regina Feldmann, der Vorsitzenden des
Vorstands der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, stellte er eine
klare Diagnose: „Der Ärztemangel in den neuen Bundesländern wird in
den nächsten Jahren dramatische Ausmaße annehmen. Eine wesentliche
Ursache dafür ist die dortige chronische Unterfinanzierung der
ambulanten Versorgung.“
Deshalb wird die langfristig wirkende Strategie der
Kostenerstattung ergänzt durch ein kurzfristig wirkendes Programm.
„Wir brauchen ein Sofortprogramm für die neuen Bundesländer, um das
jetzige Versorgungsniveau halten zu können“, erklärte Helming, der
zugleich Vorstandsvorsitzender der KV Brandenburg ist. Konkret
fehlten rund 700 Millionen Euro. Helming weiter: „Der Ärztemangel ist
kein reines Sicherstellungsproblem der KV, sondern eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb sind mehrere Arten der
Finanzierung grundsätzlich denkbar: durch einen Anteil an der
Mehrwertsteuererhöhung, durch einen gesamtgesellschaftlich zu
finanzierenden Fonds oder durch eine Verschiebung von Mitteln
innerhalb der verschiedenen Sektoren des Gesundheitswesens.“
Der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft stellte klar: „Die Programme,
die die KVen aufgelegt haben, um dem Ärztemangel entgegen zu wirken,
sind vielfältig. Sie reichen von Umsatzgarantien für Arztpraxen über
Weiterbildungsförderungen bis hin zur Gründung von
Eigeneinrichtungen.“ Die KV Thüringen wird ab 1. Oktober in der Stadt
Ohrdruf eine solche Eigeneinrichtung eröffnen. Dazu wird sie selbst
Räumlichkeiten anmieten und eine Praxisausstattung erwerben. Ärzte
und Personal werden dann befristet direkt bei der KV angestellt sein.
„Alle Maßnahmen ändern aber nichts am Grundproblem der
Unterfinanzierung“, führte Helming aus. Er nannte Zahlen: „Während
die Entlohnung für Krankenhausbehandlungen im Osten von 1995 auf 2004
um 33 Prozent gestiegen ist, verzeichnete die ambulante Versorgung
ein Plus von gerade einmal 0,3 Prozent bei den Honoraren.
Inflationsbereinigt ist dies allerdings ein deutliches Minus von rund
dreizehn Prozent.“
Regina Feldmann brachte die Situation auf den Punkt: „Die
niedergelassenen Ärzte im Osten sind von der Finanzentwicklung in
anderen Bereichen regelrecht abgekoppelt worden. Im Vergleich zu
einem niedergelassenen Arzt im Westen erhält der durchschnittliche
Vertragsarzt im Osten 72,8 Prozent der Vergütung pro Patient, muss
aber 36 Prozent mehr Patienten behandeln.“
„Ostdeutsche Ärzte, die in den Ruhestand gehen, finden kaum noch
Praxis-Nachfolger. Es ist kurz vor zwölf: Die ambulante Versorgung
ist gefährdet“, führte sie aus. Sorgen bereite ihr, dass
beispielsweise bei den Hausärzten das durchschnittliche Alter bei
Rückgabe der Zulassung bei 62,6 Jahren liegt. „Prozentual ausgedrückt
bedeutet dies, dass aus Altersgründen 41,4 Prozent der Hausärzte in
Brandenburg, 39,8 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern, 38,5 Prozent in
Sachsen, 48,6 Prozent in Sachsen-Anhalt und 40,9 Prozent in Thüringen
bis 2010 ihre Zulassung zurückgeben werden“, so Feldmann.

Kontakt:

Dr. Roland Stahl (KBV), Tel.: 030 / 4005 - 2202
Simone Groß (KV Brandenburg), Tel.: 0331 / 2868-103

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