Weser-Kurier: Zur Begnadigung Chodorkowskis schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 21. Dezember 2013:
Bremen (ots)
Russlands Justiz ist alles andere als unabhängig. Die Schau-Prozesse gegen den ehemaligen Öl-Magnaten Michail Chodorkowski, gegen die Mitglieder der Punk-Band Pussy Riot und zuletzt gegen Greenpeace-Aktivisten haben das erneut gezeigt. So ist es kein Wunder, dass die Nicht-Regierungsorganisation Freedom House, die weltweit den Grad der Unabhängigkeit der Justiz misst, Russland auf einen der hinteren Plätze verbannt. Und nur etwa ein Drittel der russischen Bevölkerung selbst glaubt daran, vor Gericht tatsächlich Recht zu bekommen. Offenbart hat sich jetzt aber auch einmal mehr der Mann, der maßgeblich hinter dieser willkürlichen "Recht"-Sprechung steht: Wladimir Putin. Er hat in seiner inzwischen dritten Amtszeit als Präsident aus Russland endgültig wieder ein Zarenreich gemacht. Nichts geschieht ohne seine Zustimmung - und seine Allmacht endet auch nicht an den Türen der Gerichtssäle. Bedurfte es noch eines Beweises, dann hat ihn Putin mit der Begnadigung seines einstmals schärfsten Kritikers jetzt geliefert. Seine selbstherrliche Art, vor der versammelten nationalen und internationalen Presse fast beiläufig Michail Chodorkowski Gnade zuteil werden zu lassen, ist an Zynismus kaum zu überbieten. Der Präsident demonstriert seine Macht, wie er will, wann er will, an wem er will. Und er spielt bis zuletzt mit seinen Opfern. Ein verabscheuungswürdiges Spiel. Und der Westen? Schaut er dem russischen Autokraten nur beim Herrschen zu? Es macht den Eindruck. Vorsichtig äußert Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Freude über die Freilassung Chodorkowskis. Dazu, dass dieser jetzt in Deutschland ist, sagt sie nichts. Der neue Außenminister Frank-Walter Steinmeier betont immerhin, dass die Gespräche mit Russland über Rechtsstaat und Menschenrechte weitergehen müssten. Wie wahr, aber sind Fortschritte zu erwarten? Wohl kaum, denn so deutlich wie in diesem zu Ende gehenden Jahr hat Putin noch nie unter Beweis gestellt, wie mächtig er ist. Ob in der Syrien- oder Iran-Politik: Er, nicht US-Präsident Barack Obama bestimmt, den Kurs. Und auf Europa hat Putin schon immer verächtlich herabgeblickt, die Art und Weise, wie er die Ukraine jetzt aus dem unterschriftsreifen EU-Assoziierungsabkommen herausgepresst hat, zeigt das wieder. Die EU ist mit ihrem Programm "Östliche Partnerschaft" an Putins Machtinstinkt gescheitert. Und Putin? Er wird letztlich an sich selbst scheitern - aber das kann dauern.
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