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Börsen-Zeitung: Der Vertrag ist eindeutig, Kommentar zur Reformdebatte über den Stabilitäts- und Wachstumspakt von Christof Roche

Frankfurt (ots)

Die Stoßrichtung der Reformdebatte über den
Stabilitäts- und Wachstumspakt ist unverändert. Der EU-Vertrag ist
sakrosankt, alles andere kann – einschließlich der
Sekundärgesetzgebung – angepasst werden, um der Währungsunion mehr
ökonomische Vernunft einzuhauchen. Die Verantwortung, dieses
Reformpaket zu schnüren, hat jetzt Europas dienstältester
Finanzminister Jean-Claude Juncker, der selber noch aktiv an der
Konzeption des Stabilitätspakts beteiligt war.
Dazu will der Euro-Altmeister die Debatte eingrenzen und hat
bereits erste Ideen strukturiert: kein Aufschub bei einem
Defizitverfahren, wenn die Neuverschuldung eines Landes mehr als 3%
des Bruttoinlandsprodukts (BIP) übersteigt, aber die Formulierung
eines eng begrenzten Kriterienkatalogs, der im Einzelfall einem Staat
mehr zeitlichen Spielraum zum Abbau seiner Neuverschuldung einräumen
kann.
Die Liste des Luxemburgers hat auf den ersten Blick durchaus auch
ihren Reiz, wenn es etwa um die stärkere Einbindung der
Staatsverschuldung geht. Denn natürlich hat ein Land, das nur eine
Schuldenquote von 30% seines BIP aufweist, mehr finanziellen
Spielraum, in wirtschaftlich schwachen Zeiten für befristete Zeit
eine überhöhte Neuverschuldung zu verkraften. Doch wenn Juncker dies
als Ausnahme gelten lassen will, dann muss er auch auf der anderen
Seite hart bleiben. Staaten, die wie Deutschland eine
gesamtstaatliche Verschuldung von mehr als 60% des BIP aufweisen,
müssten zusätzliche Konsolidierungsanstrengungen leisten, denn der
Vertrag fordert unmissverständlich: Länder mit einer Schuldenquote
oberhalb der Referenzgröße müssen ihre Finanzen in Ordnung bringen.
Gleiches gilt durchaus auch für die Anrechnung der Nettobeiträge auf
heimische Defizite. Doch gelten hier mildernde Umstände, muss
wiederum der Umkehrschluss zulässig sein: Staaten, die wie Spanien
heute glänzend dastehen, wären dann über Nacht Mitglieder im Club der
Defizitsünder.
Das sind nur einige Ausschnitte, die aber eines schon zeigen: Die
Debatte über die Paktreform wird kontrovers werden. Zieht Juncker
eine konsequente Linie durch, dann wird er niemals die Einstimmigkeit
für das Reformpaket erhalten. Löst der Altmeister aber die Symmetrien
auf, dann gleitet der Pakt in die Beliebigkeit ab. Denn bei
einseitiger Auslegung gilt, was auch für die wichtigen
Zukunftsinvestitionen in Bildung und Innovation zählt: Liegt keine
solide Gesamtfinanzierung vor, bleiben am Ende des Tages nur neue
Verbindlichkeiten, die sich zu alten Schulden addieren. Der EU-
Vertrag hat hier aber seine eigene Logik: Die Defizitbegrenzung
sollte eigentlich der Hebel sein, um die Verschuldung unter Kontrolle
zu halten.
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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