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Drahtseilakt, Kommentar von Heidi Rohde zu Lufthansa

Frankfurt (ots)

Die Lufthansa nutzt die Gunst der Stunde, um die Fesseln des staatlichen Rettungsregimes zu lockern. Für die bereits kurz nach der Hauptversammlung avisierte Kapitalerhöhung ist mit der Eindämmung der Pandemie und der absehbaren deutlichen Erholung der Flugnachfrage im Sommer der Boden bereitet. Zudem flankiert der Konzern die geplante Mittelaufnahme mit mittelfristigen Ertragszielen, die an das bisherige Rekordjahr 2017 anknüpfen. Dass diese im Wesentlichen mit umfangreichen Einsparungen, insbesondere auch beim Personal, erzielt werden sollen, sollte die Investoren eher ermutigen als skeptisch stimmen. Denn zum einen lassen sich die Ziele allein durch eine Erholung der Flugnachfrage kaum erreichen. Zum anderen sind die Beschlüsse ein Signal, dass der Bund als Anteilseigner seine Position im Aufsichtsrat bisher nicht dazu einsetzt, vom Vorstand als notwendig erachtete Restrukturierungen aus politischen Gründen zu blockieren.

Europas größte Fluggesellschaft benötigt noch strukturelle Sparmaßnahmen, um in einem veränderten Marktumfeld nach der Krise wettbewerbsfähig zu sein. Denn Preise und Frequenz im bisher so ertragsstarken Segment der Geschäftsreisenden werden sich wohl dauerhaft auf einem niedrigeren Niveau einpendeln. Und auch auf den touristischen Nah- und Fernstrecken, auf denen sich die Nachfrage derzeit schnell erholt, ist künftig mit deutlichen Überkapazitäten und infolgedessen Preisdruck zu rechnen - allein schon deshalb, weil auch Netz-Carrier wie die Lufthansa für Wachstum ihr Heil in diesem Segment suchen.

Die Banken gehen nun gut gerüstet ans Werk, um eine enorme Anzahl neuer Lufthansa-Aktien beim Publikum unterzubringen. Dennoch bleibt die Emission ein Drahtseilakt. Auch wenn die geschäftliche Lage sich aufhellt und sich außerdem bei mehreren Fremdkapitaltransaktionen gezeigt hat, dass der Markt prinzipiell für Lufthansa-Titel aufnahmefähig ist: Ganz abstreifen kann der Konzern das staatliche Joch noch nicht. Wenn auch die teure stille Beteiligung weitgehend abgelöst wird und der Staat seinen Eigenkapitalanteil möglicherweise verwässert, dürfte eine substanzielle Beteiligung doch auf absehbare Zeit nötig sein, um sicherzustellen, dass bei einer Kapitalaufnahme in Höhe der Hälfte der Marktkapitalisierung nicht Investoren einsteigen, die ihre ganz eigenen Interessen im Sinn haben. Dies zumal die Thiele-Erben bereits deutlich zu erkennen gegeben haben, dass auf sie als Ankeraktionär nicht gezählt werden kann.

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