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Im Krisenmodus
Kommentar zum Dividendenstopp der EZB für Banken von Tobias Fischer

Frankfurt (ots)

Die europäische Bankenaufsicht wird nicht müde, den vorübergehenden Charakter ihrer dringenden Empfehlung an Banken herauszustellen, den Dividendenstopp zu verlängern und eine vorsichtige Vergütungspolitik zu betreiben. So richtig die Aufseher damit im Moment agieren, so sehr ist fraglich, ob dieser weitgehende Eingriff in Eigentumsrechte tatsächlich nur temporär ausgelegt ist oder den Einstieg in einen lange währenden Krisenmodus darstellt. In einem höchst unsicheren Umfeld liege der Beschluss auch im Interesse der Banken, bis mehr Klarheit über die Qualität ihrer Vermögenswerte und die Kapitallage herrsche, gab der Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, ihnen gestern zu verstehen. Europas oberster Bankenaufseher bekundete nicht nur seine Absicht, so bald wie möglich zur Normalität zurückkehren zu wollen. Im selben Atemzug stellte er zugleich klar, dass sich die Aufsichtsbehörden wappnen müssten, gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, sollte sich die wirtschaftliche Situation wegen eines starken Wiederanstiegs von Infektionen und eines strikteren Vorgehens zur Eindämmung der Pandemie weiter verschlechtern.

Wenn nach Auslaufen der Vielzahl an Hilfsprogrammen, Moratorien und Kapitalspritzen das ganze Elend der aktuellen Krise vom Jahresende an in mehreren Wellen vollends offenbar wird - wie es etwa die BaFin erwartet -, wenn sich Firmenpleiten in hohen Kreditausfällen niederschlagen und voll auf die Kapitalpuffer der Banken durchschlagen, wird sich zeigen, welche "Normalität" Enria meint - jene vor der Coronakrise oder eine neue Form.

Infolge des nach der Finanzkrise verfestigten Krisenmodus steht die Welt der Zinsen Kopf, Minuszinsen sind mittlerweile gang und gäbe. Da gehört nicht viel dazu, coronabedingt auch mit Blick auf die Ausschüttungs- und Vergütungspolitik der Banken längerfristige Eingriffe einzupreisen. Denn rutscht die Kapitalausstattung von Europas Banken in den Keller, wird die EZB gar nicht anders können, als den Finanzinstituten weitere Empfehlungen angedeihen zu lassen, die nichts anderes sind als eine zu einem freiwilligen Akt verbrämte verbindliche Vorgabe. Die Aufseher sind sich freilich bewusst, dass ihre Aufforderung, auf Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe zu verzichten, die von schwacher Profitabilität gebeutelten europäischen Banken für Investoren nicht eben attraktiver macht. Das ist der Preis der im März beschlossenen regulatorischen Erleichterungen, die sich laut EZB auf 120 Mrd. Euro summieren.

(Börsen-Zeitung, 29.07.2020)

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