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Börsen-Zeitung: Weniger Aktien im Körbchen, Kommentar zum IPO-Markt von Dietegen Müller

Frankfurt (ots)

Es geht aufwärts mit den Kursen an den Aktienbörsen, seit die Konjunkturdaten aus China wieder besser aussehen und sich nun auch in Europa eine Stabilisierung abzeichnet. Der Osterhase wird dieses Jahr aber weniger neue Aktien ins Körbchen kaufwilliger Anleger legen.

Damit ist nicht die Verringerung der Aktienquote nach der kräftigen Rally gemeint, die für manche Analysten nun angezeigt ist. Nein, es geht auch um die Zahl an gelisteten Aktien beziehungsweise Unternehmen an und für sich. Diese Zahl ist seit Jahren rückläufig. Da vermögen auch Milliarden-Börsengänge von Pinterest, Lyft & Co. nicht viel dagegen auszurichten. Seit Jahresanfang beträgt das Volumen neu platzierter Aktien - inklusive Bezugsrechten - aus anstehenden oder schon durchgeführten Emissionen bis dato 37,8 Mrd. Dollar weltweit. Dies liegt gut ein Drittel unter dem vergleichbaren Stand des Jahres 2018.

Laut dem Datendienst Bloomberg sind derzeit immerhin Aktienemissionen im Volumen von 147 Mrd. Dollar angekündigt. Die größten Hoffnungswerte liegen im Finanzsektor (58 Mrd. Dollar angekündigt), bei nicht-zyklischen Verbrauchsgüter- (30 Mrd. Dollar) und Technologieunternehmen (knapp 12 Mrd. Dollar). So erfreulich dies aus Sicht der Berater und Banken ist, die Zahlen deuten darauf hin, dass der IPO-Jahrgang 2019 kaum das im Vorjahr erzielte Volumen von mehr als 200 Mrd. Dollar erreichen wird, wenn es nicht zu einer deutlichen Belebung in der zweiten Jahreshälfte kommt.

Der scharfe Einbruch des IPO-Volumens in diesem Jahr liegt an einer Reihe von Faktoren. Zunächst wäre da die gestiegene Unsicherheit über die Konjunkturentwicklung, auch wegen des bisher ungelösten Handelskonflikts zwischen den USA und China und den USA und Europa. Stark dämpfend wirkt außerdem der Brexit, der den wichtigen europäischen IPO-Markt in London praktisch lähmt. Die Verzögerung des Austrittsdatums wird das Volumen weiter drücken.

Auch die Zahl der Listings ist eingebrochen. Dies passt in einen Trend, der Aktieninvestoren zu denken geben muss. Die Zahl börsengelisteter Unternehmen in den USA und Europa nimmt fast kontinuierlich ab. Laut einer 2017 erstellten Studie der Großbank Credit Suisse ("The Incredible Shrinking Universe of Stocks") ist die Zahl der gelisteten US-Unternehmen von 1996 bis 2016 netto - unter Einbezug von Erstlistings und Delistings - von 7322 auf 3671 Unternehmen gesunken. In den 20 Jahren davor waren noch mehr als 2500 Firmen an die Börse gekommen - eine Hochphase für Börsengänge.

Gemäß der World Federation of Exchanges stagnierte 2017 die Zahl gelisteter heimischer Unternehmen weltweit bei 44000, ein Niveau, das schon 2006 erreicht worden ist. Zugenommen hat die Zahl gelisteter Unternehmen gegen den Trend in Asien. Ein Rückgang zeigt sich aber nicht nur in den USA. In Europa fiel die Zahl gelisteter Unternehmen von knapp 9600 im Jahr 2016 auf knapp 9100. Im Jahr 2007 waren es noch rund 14000 gelistete Unternehmen gewesen.

Gründe dafür liegen hauptsächlich in der Übernahme gelisteter Unternehmen durch andere Unternehmen. Auch regulatorische Gründe werden angeführt. Doch eine zunehmende Rolle spielt auch, dass private Finanzierungsformen in der Kapitalaufnahme eine größere Anziehungskraft entwickelt haben. Das CFA Institute hat in einer Untersuchung festgestellt, dass kleinere Unternehmen die Finanzierung über Private Debt vorziehen. Gerade dieses Marktsegment wächst im Niedrigzinsumfeld besonders stark, nicht zuletzt durch alternative digitale Finanzierungsmodelle wie Initial Coin Offerings (ICOs) oder dergleichen.

Ein Grund für die stärkere Finanzierung über Private Debt bei kleinen Unternehmen liege darin, dass diese stärker auf immaterielle Vermögenswerte (wie Lizenzen oder Patente) in ihren Geschäftsmodellen setzen und Nachahmer fürchten. Damit seien aber wachstumsträchtige Segmente im öffentlichen Markt unterrepräsentiert, die Aktienmärkte könnten ihre Rolle als Benchmark für Risikoprämien verlieren, so das CFA Institute. Es gebe keine klare regulatorische Lösung dafür. Die Lockerung von Transparenzpflichten - wie es die EU für gewisse IPOs ermöglicht - würde nur den Anlegerschutz und die Attraktivität gelisteter Firmen verringern. Besser sei es, für mehr Transparenz im Private-Debt-Markt zu sorgen, breiteren Anlegerkreisen den Zugang zu ermöglichen und eine möglichen Blasenbildung im Auge zu behalten.

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