Bain-Studie zu flexiblen Arbeitszeitmodellen: Teilzeit für Spitzenkräfte - Mehr Wunsch als Wirklichkeit?
München (ots)
- Mit anziehender Konjunktur und zunehmendem Fachkräftemangel in
Deutschland werden flexible Arbeitsmodelle zum echten
Wettbewerbsvorteil für Unternehmen
- Top-Qualifizierte möchten flexibler arbeiten, tatsächlich tut es
jedoch nur ein kleiner Teil
- One size does not fit all: Spitzenkräfte sind eine heterogene
Gruppe, die maßgeschneiderte Arbeitszeitmodelle benötigen
- Vorstände müssen flexible Angebote selbst nutzen oder sichtbar
unterstützen, um Vorbehalte bei den Top-Talenten zu zerstreuenSpitzenkräfte wünschen sich flexiblere Arbeitszeiten, doch nur wenige nehmen die Angebote ihrer Unternehmen tatsächlich an. Eine Studie der Unternehmensberatung Bain & Company zeigt, dass die von Unternehmen entwickelten Modelle nur selten den Bedürfnissen ihrer Top-Leute entsprechen. Zudem mangelt es den Angeboten an sichtbarer Unterstützung durch die Geschäftsführung - etwa einem Vorstand, der Work-Life-Balance vorlebt, so das Ergebnis der Bain-Studie "Flexible work models: How to bring sustainability to a 24/7 world".
94 Prozent der weiblichen und 78 Prozent der männlichen Spitzenkräfte interessieren sich für die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten. Tatsächlich nutzen davon aber nur die Hälfte der Frauen (46 Prozent) und weniger als ein Drittel der Männer (25 Prozent) entsprechende Angebote. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Bain & Company, bei der mehr als 3.300 Spitzenkräfte in den USA, Europa und Asien befragt wurden - darunter etwa ein Drittel Frauen. Alle Studienteilnehmer arbeiten in herausfordernden Positionen, tragen große Verantwortung und sind unberechenbaren Arbeitsabläufen sowie Termindruck ausgesetzt.
Obwohl 60 Prozent der Unternehmen ihren Mitarbeitern flexible Arbeitszeitmodelle anbieten, werden diese nur in 18 Prozent der Fälle breit genutzt. Andererseits zeigt sich, dass unter den Befragten die Angst vor dem Karriere-Aus, sollten sie tatsächlich entsprechende Angebote annehmen, weit verbreitet ist. So äußerte eine europäische Senior Bankerin (aus der Kategorie 56 bis 65 Jahre) ihre Bedenken, dass das Top-Management den Wunsch nach flexibler Arbeit als Schritt in Richtung Rente interpretieren könnte. Kollegen könnten denken, man wolle sich vor der Arbeit drücken, führte ein jüngerer Studienteilnehmer an.
Um die Skepsis von Top-Talenten gegenüber flexiblen Zeitmodellen zu beseitigen, muss die Geschäftsführung solche Angebote sichtbar unterstützen und am besten selbst nutzen. "Dazu gehört auch die Kommunikation von Erfolgsgeschichten, also prominenten Beispielen aus dem Unternehmen, die flexibel arbeiten und dennoch Karriere machen", sagt Dr. Gunther Schwarz, Partner und Experte für Personalstrategien bei Bain & Company. In der Studie gaben 86 Prozent der Befragten an, dass die Unterstützung seitens der Führungsspitze ein ausschlaggebendes Kriterium für ihre Abwägung sei, flexible Arbeitszeitangebote zu nutzen.
Werden den Beschäftigten gut umgesetzte und im Unternehmen akzeptierte Arbeitszeitmodelle angeboten, steigt deren Loyalität und Arbeitszufriedenheit deutlich. Wie die Bain-Studie zeigt, empfehlen Mitarbeiter ihren Arbeitgeber oder dessen Produkte in diesen Fällen häufiger weiter. Die Bindung zum Unternehmen steigt bei Männern um 25 Prozent und bei Frauen sogar um 40 Prozent.
"In Deutschland gibt es großen Nachholbedarf, wenn es um flexible Arbeitszeitmodelle für Fach- und Führungskräfte geht", sagt Gunther Schwarz. "Ich kenne kaum ein Unternehmen, das heute bereits den unterschiedlichen Bedürfnissen seiner Spitzenleute gerecht wird." Dabei seien gerade flexible Arbeitszeiten, so Schwarz, ein ausgezeichnetes Argument, um bei zunehmendem Fachkräftemangel Top-Qualifizierte anzuwerben und langfristig im Unternehmen zu halten.
Damit flexible Arbeitszeitmodelle intensiv von Spitzenkräften genutzt werden, sollten sie so unterschiedlich sein wie die Top-Performer selbst. Für ein Unternehmen heißt das, zunächst die speziellen Ansprüche und Vorstellungen seiner Führungskräfte zu erfassen. Die Bain-Studie identifiziert unter den Befragten vier Gruppen, die jeweils unterschiedliche Angebote benötigen.
- Skeptiker (30%): Sie suchen die Unterstützung des
Top-Managements und von Kollegen, die flexibel arbeiten. Sie
bevorzugen kein bestimmtes Angebot, brauchen aber Beweise, dass
flexible Modelle funktionieren. Sie möchten weiterhin Projekte
leiten und für das Unternehmen nachweislich wichtige Ergebnisse
erzielen. Derzeit sehen sie für sich kein Modell, das sie
spürbar entlasten könnte. - Aufsteiger (24%): Sie sind sehr karriereorientiert und nehmen
dafür häufige Geschäftsreisen und ständige Erreichbarkeit in
Kauf. Sie schätzen die Möglichkeit von flexiblen
Arbeitszeitmodellen im eigenen Unternehmen und möchten diese zu
einem späteren Zeitpunkt ihrer Karriere nutzen. - Unterbrecher (24%): Selbstsicher und reif sind diese
Arbeitnehmer. Sie steigen für eine kurze Zeit aus dem
Berufsleben aus oder arbeiten in einem weniger intensiven Job,
um mit neu gewonnenen Kräften ins Unternehmen zurückzukehren und
herausfordernde Aufgaben zu übernehmen. - Alternative (22%): Für diese Gruppe gilt 'weniger ist mehr'.
Vorhersehbarkeit und Planbarkeit sind ihnen wichtig. Für
vernünftige und planbare Arbeitszeiten sowie freie Wochenenden
verzichten sie gerne auf die schnelle Karriere. Sie leisten viel
und bleiben dem Unternehmen treu, wenn sie dafür seltener auf
Dienstreise gehen oder auf Abruf bereit stehen müssen.Sind die Bedürfnisse der Top-Qualifizierten erkannt und erfasst, empfiehlt Bain-Partner Schwarz ein Mitglied der Unternehmensführung als Ansprechpartner für flexibel arbeitende Spitzenkräfte zu ernennen. Dieser Ansprechpartner soll gleichzeitig den Erfolg der verschiedenen Modelle im Unternehmen kommunizieren. Zusätzlich sollte ein Mentor den Aufstieg von flexibel arbeitenden Nachwuchskräften fördern. All diese Maßnahmen können dazu beitragen, die Vorbehalte gegen flexible Arbeitszeitmodelle im Unternehmen und bei den Top-Leuten abzubauen. "Aufgrund der Alterung unserer Gesellschaft und zu geringer Zuwanderung werden uns schon bald viel weniger qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen als wir benötigen. Jetzt haben die Unternehmen die Chance, durch maßgeschneiderte Arbeitsangebote die besten Talente langfristig an sich zu binden", so Bain-Partner Gunther Schwarz.
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