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Schwäbische Zeitung: Leitartikel zu Erdogan: Lasst ihn doch reden

Ravensburg (ots)

Was die Türken reden, in der Moschee, bei Ditib oder im Kulturverein, hat deutsche Geheimdienste lange genug nicht interessiert. So ähnlich war es auch, wenn türkische Politiker nach Deutschland kamen, um hier Wahlkampf zu machen. Umso mehr sollten Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz jetzt genau hinhören, was Präsident Recep Tayyip Erdogan sagt, wenn er in Deutschland ein Stadion oder eine Sporthalle füllt. Lobt er die Türken dafür, dass sie keine deutschen Staatsbürger wurden und Integration verweigern? Hetzt er gegen Kurden, oder spricht er seinen Anhängern gar sein Mitgefühl aus, dass sie unter einer Kanzlerin wie Angela Merkel leben müssen, in einem Land, das Nazi-Methoden benutzt? Es gilt, sehr genau hinzuhören in den nächsten Wochen.

Aber dennoch muss Erdogan hier reden dürfen. Es würde Deutschland schwächer machen, wenn man es ihm verbieten würde. Oder irgendeinem seiner Minister, die in den vergangenen Tagen als Vorboten schon mal getestet haben, wie die deutschen Behörden und die Bundesregierung reagieren. Wenn der türkische Potentat Deutschland Nazi-Methoden vorwirft, mag er sich bei seinen Leuten zum Helden machen, in der Welt aber macht er sich lächerlich. Demokratische Errungenschaften werden umso deutlicher, je mehr etwa die Versammlungs- und Redefreiheit, die wir in Deutschland haben, in der Türkei eingeschränkt werden.

Wenn Erdogan also hier auftritt, bedeutet das zunächst mal kein Einknicken. Es stellt vielmehr die Auge-um-Auge-Strategie des Herrschers aus Ankara gegen die demokratische Gelassenheit eines Staates, der sich seiner Werte sicher ist. Wenn Erdogan den "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel weiter in einem türkischen Gefängnis sitzen lässt, wenn er die Gewaltenteilung rüde missachtet, ist das eine Katastrophe für die Türkei, aber kein Anlass bei uns die Grundrechte einzuschränken.

Erdogan soll reden. Geheimdienstexperten und Türkei-Experten hierzulande sollten aber jedes seiner Worte auf die Goldwaage legen.

Pressekontakt:

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Telefon: 0751/2955 1500
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