Schwäbische Zeitung: Der Bodensatz wird bleiben - Leitartikel zum NPD-Verbotsverfahren
Ravensburg (ots)
Weshalb sollte der Staat mit dem Steuergeld seiner Bürger eine Partei finanzieren, die diesen Staat und seine Verfassung ablehnt? Wo bleibt die wehrhafte Demokratie, wenn der Staat seine Feinde, in diesem Fall die rechtsextremistischen Hetzer von der NPD, scheinbar tatenlos gewähren lässt? Und deshalb: Weshalb entledigt man sich nicht des Ärgernisses, indem die Partei der Verfassungsfeinde einfach verboten wird? Die Fragen sind naheliegend und berechtigt. Niemand - wenn er halbwegs bei Trost ist - würde der NPD eine Träne nachweinen, falls das Bundesverfassungsgericht sie von der parteipolitischen Landkarte radieren sollte. Eine Signalwirkung ginge von diesem Urteil aus, es hätte symbolischen Gehalt.
Viel mehr leider nicht. Auf die hohen rechtlichen Risiken des Verfahrens haben Fachleute zur Genüge hingewiesen. Falls die Klage scheitern sollte, könnte die NPD einen nachhaltigen Prestigegewinn für sich verbuchen. Aber auch ein Verbot würde sie nicht sehr erschüttern. Die vergangenen Monate haben leider gezeigt, dass Rechtsextremisten - offen oder als Biedermänner getarnt - immer mehr Möglichkeiten haben, sich quasi anzusiedeln und heimisch zu fühlen. Sie mischen in der AfD mit, sie marschieren bei Pegida mit, sie organisieren sich in sogenannten Kameradschaften. Und nicht zuletzt: Andere Neonazi-Parteien würden die heutigen NPD-Mitglieder nach einem Verbot mit offenen Armen empfangen. Was dann? Neue Verbotsanträge? Daraus würde ein Hase-Igel-Rennen, und der Staat fände sich zwangsläufig in der Rolle des gehetzten Hasen.
Bisweilen lohnt ein Blick über die Grenzen: Keine europäische Demokratie ist verschont von einem Bodensatz an Rechts- und Linksextremisten. In Frankreich tummeln sich die Rechten im Front National, in Italien mischt eine offen faschistische Enkelin Mussolinis seit Jahren in der Politik mit. Parteienverbote werden dort nicht erwogen. Auch die Deutschen müssen - so oder so - mit ihrem Neonazi-Bodensatz leben. Der muss politisch, gesellschaftlich und strafrechtlich bekämpft werden.
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