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Schwäbische Zeitung: Sie stolpern an den Start - Leitartikel

Ravensburg (ots)

Wenn man diese Koalitionsverhandlungen sehr wohlwollend zwischenbilanzieren möchte, kann man sagen: Es ist prima, dass sogar über Details gestritten wird. Je exakter sich Union und SPD auf ihr Regierungsprogramm festlegen, umso geringer ist später die Gefahr eines Scheiterns. Aber das ist die Sicht durch die rosarote Brille. In Wahrheit stecken in dem widerwillig angestrebten Bündnis so viele grundsätzliche Bedenken auf beiden Seiten, so viel tiefsitzende Abneigung vor allem bei den Sozialdemokraten, dass erfolgreiches Regieren eine gar wundersame Entwicklung wäre.

Erstens: Die Kanzlerin hat ihre Partei schleichend und - gemessen am Wahlergebnis - sehr erfolgreich sozialdemokratisiert. Wie soll ein Junior-Koalitionspartner SPD damit umgehen? Sigmar Gabriel hat vorsorglich schon mal mit der Linken geflirtet. Das ist bei gleichzeitigen Koalitionsverhandlungen mit der Union bemerkenswert, und es deutet auf einen allzeit fluchtbereiten Partner hin. Zweitens: Die vorherige Große Koalition unter Kanzlerin Merkel ist der Republik nicht schlecht bekommen - wohl aber den Sozialdemokraten. Ihren Anteil am Regierungserfolg haben die Wähler vor vier Jahren nicht honoriert. Diese Erfahrung steckt der Partei in den Knochen. Die SPD wird in einer Neuauflage sehr viel mehr auf eigene Profilierung achten. Also ist Dauerstreit fast unausweichlich. Nebenbei: Wenn Sigmar Gabriel erfahren möchte, wie bequem der Stuhl eines Vizeregierungschefs ist, kann er seinen baden-württembergischen Parteifreund Nils Schmid fragen.

Drittens: Vieles lässt befürchten, dass die Wirtschaft unter der neuen Regierung leiden wird. Normalerweise - und das ist einer der wenigen Vorteile von Elefantenhochzeiten - kann eine Große Koalition auch unpopuläre, aber langfristig richtige Entscheidungen durchboxen. Damit ist nicht zu rechnen. Der Streit ums Kleinklein in den Verhandlungen deutet es an. Diese Koalition, so sie denn zustande kommt, wird aller Voraussicht nach zum Wiederbelebungsprogramm für die Liberalen.

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