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Schwäbische Zeitung: Zeit erkaufen - Leitartikel

Ravensburg (ots)

Der Aufstieg der Bundesrepublik ist untrennbar verbunden mit dem Automobil. "Des Deutschen liebstes Kind" hieß das Auto im Jargon der Aufbaujahre. Deutschland verdankt dieser Industrie seinen Wohlstand. 750000 Arbeitsplätze hängen direkt daran. Der ADAC hat 18 Millionen Mitglieder. Menschen in aller Welt bewundern Audi, BMW, Porsche und Mercedes.

Doch die Liebe der Deutschen zum Auto ist erkaltet. Für viele ist ein Fahrzeug ein Gebrauchsgegenstand geworden wie jeder andere, in einer emotionalen Liga mit Bratpfanne, Bettbezug oder Eierbecher. Vor allem Großstädter und junge Leute wenden sich ab. Laut einer neuen Studie waren Neuwagenkäufer nie so alt wie heute: im Schnitt 52,4 Jahre.

An die Stelle des Autos sind andere Statussymbole getreten. Jugendlichen ist ein Smartphone wichtiger als ein schicker Wagen. Manche meiden Autos, weil sie die Umwelt schonen wollen. Andere steigen auf Bus, Bahn und Rad um, weil ihnen ein Auto zu teuer ist und Staus und Parkplatzsuche nerven. Lässt sich dieser Trend umkehren? Forscher behaupten, die Industrie müsse nur Fahrzeuge bauen, die die Menschen emotional berühren. Das ist nicht nur eine Floskel, sondern Unsinn. Alle großen Hersteller fertigen gute Autos, die auf junge Leute und kritische Großstädter zugeschnitten sind.

Vermutlich wird in diesem Fall nicht der freie Markt entscheiden, wie es weitergeht, sondern die Politik. Sie könnte einen autofreundlichen Kurs einschlagen: Autobahnen ausbauen, Mineralölsteuer senken und Elektroautos steuerlich begünstigen. Damit würden die Politiker der Industrie Zeit verschaffen, das sympathische Auto der Zukunft auf die Straße zu bringen.

Zehn bis 15 Jahre braucht die Industrie dafür. Umweltfreundliche Elektroautos werden dann billiger sein und länger durchhalten. Wagen werden Staus erkennen und automatisch umfahren. Fahrerlose Fahrzeuge werden auf Befehl aus dem Parkhaus direkt vor die Haustür oder zum Kino kommen. Kurzum: Viele Argumente, die heute gegen Autos sprechen, werden dann entkräftet sein.

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