Schwäbische Zeitung: Die falsche Diskussion - Leitartikel
Leutkirch (ots)
Der Mann war der Finanzminister einer wirtschaftspolitischen Weltmacht während der globalen Finanzkrise 2008. Gemeinsam mit Angela Merkel hat Peer Steinbrück nach übereinstimmendem Urteil die Bundesrepublik erfolgreich durch eine schwierige Situation geführt. Dass dieser Topmanager der Macht als Referent Tophonorare einnehmen konnte und kann, dürfte klar sein. Die Zusatzeinnahmen hat der Sozialdemokrat angegeben und versteuert. Soweit bekannt, so weit so gut oder auch so schlecht. Denn die Debatte über vermeintlich skandalöse Einnahmen von Politikern führt in die falsche Richtung. Deutschland braucht eine Lobbyismus-Debatte. Würde diese endlich geführt, dann könnten auch in einem Unterpunkt die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten diskutiert werden. Vielmehr muss aber thematisiert werden, welche Möglichkeiten hoch bezahlte Lobbyisten in Berlin besitzen. Es kam schon vor, dass Gesetzesvorlagen direkt von einem Interessenverband formuliert worden sind. Bemerkt haben das weder die Politiker, noch die Öffentlichkeit. Die Zahl der Frauen und Männer, die aus kommerziellen Gründen Abgeordnete massiv beeinflussen - nichts anderes ist Lobbying - ist viel zu hoch. Schätzungen für den Berliner Politikbetrieb legen nahe, dass täglich rund 5000 Personen damit beschäftigt sind, Abgeordnete zu indoktrinieren, zu lenken oder in ihrem Sinne zu formen. Illegal ist das nicht, manche sehen darin sogar einen Dienst an der Allgemeinheit, denn schließlich verfügten diese "Ratgeber" an Fachwissen, das der normale Politiker eben nicht haben könne. Dieser Argumentation folgen die Kommunikations-Experten der Autoindustrie genauso wie die der Zigarettenbranche, aber auch Greenpeace oder Verbraucherschützer. Das jüngste parteipolitische Klein-Klein um Peer Steinbrück passt dem Heer der Lobbyisten bestens in ihr kühl kalkuliertes Konzept. Lenkt es doch von der viel wesentlicheren Frage ab: Wie sachgerecht kann ein von Interessenvertretern umlagertes Parlament überhaupt entscheiden?
Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 07561-80 100
redaktion@schwaebische-zeitung.de
Original content of: Schwäbische Zeitung, transmitted by news aktuell