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Glücksspielwerbung wird als doppelt schädlich erlebt: Sie lockt in den Einstieg und hält Betroffene im Spiel

Glücksspielwerbung wird als doppelt schädlich erlebt: Sie lockt in den Einstieg und hält Betroffene im Spiel
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Glücksspielwerbung wird als doppelt schädlich erlebt: Sie lockt in den Einstieg und hält Betroffene im Spiel

Glücksspielwerbung wirkt laut Betroffenen doppelt: Sie kann den Einstieg ins Spielen erleichtern und das Weiterspielen verstärken. Aktuelle Analysen der Universität Bremen zeigen, dass für etwa jede dritte betroffene Person in der ambulanten Glücksspielsuchtberatung in Niedersachsen Werbung mit einem eher bzw. sehr starken Einfluss verbunden ist.

Glücksspielwerbung wird von vielen Betroffenen als doppelt problematisch erlebt: Sie wird sowohl mit dem Einstieg ins Glücksspielen als auch mit der Aufrechterhaltung des Glücksspielverhaltens in Verbindung gebracht. Das zeigt die neue „Klienten*innendokumentation der ambulanten Glücksspielsuchtberatungen in Niedersachsen“ für 2024, die von den Glücksspielforschern Dr. Tim Bastian Brosowski und Dr. Tobias Hayer von der Universität Bremen durchgeführt worden ist.

Von den befragten Problemspieler:innen in der ambulanten Glücksspielsuchtberatung in Niedersachsen berichtete knapp jede dritte Person mit mehrfachen Beratungskontakten, dass Werbung einen eher starken bis sehr starken Einfluss darauf hatte, mit dem Glücksspiel zu beginnen (147 von 529 gültigen Angaben). Ein ähnlich hoher Anteil gab an, dass Werbung einen starken Einfluss auf die weitere Teilnahme am Glücksspiel hatte (126 von 378 gültigen Angaben). „Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache“, sagt Tim Bastian Brosowski, einer der Studienautoren. „Viele Betroffene erleben Werbung nicht nur als Einstieg, sondern auch als maßgeblich für die Fortsetzung eines schädlichen Glücksspielverhaltens.“

Besonders ins Gewicht fielen digitale Werbekanäle. Unter denjenigen, die sich (eher) stark beeinflusst fühlten, nannten die meisten Internetwerbung (63 Prozent), gefolgt von Social-Media-Kampagnen (51 Prozent) und personalisierter Werbung (44 Prozent). „Gerade diese digitale Ansprache wird von vielen als ein wesentlicher Faktor erlebt, der problematisches Glücksspielverhalten aufrechterhält“, betont Tobias Hayer, Leiter der Arbeitseinheit Glücksspielforschung an der Universität Bremen.

Auffällig ist den Autoren zufolge zudem der Zusammenhang mit dem Bildungsgrad: Personen mit höherer formaler Bildung berichteten signifikant häufiger, dass Werbung – insbesondere auf Social Media, im Internet oder in Form personalisierter Angebote – sowohl für den Einstieg als auch für die weitere Teilnahme eine Rolle gespielt habe. Unter anderem auch TV-Werbung wurde überdurchschnittlich oft von höher Gebildeten als Einflussfaktor genannt.

Hierbei spielen vor allem Online-Formate eine große Rolle: Wer angibt, sich durch Glücksspielwerbung zum Spielen animiert zu fühlen, berichtet deutlich häufiger von Problemen mit Internet-Glücksspielangeboten – insbesondere mit Online-Automatenspielen, Poker, Sportwetten oder Großem Spiel, etwa klassische Casino-Tischspiele wie Roulette und Blackjack. Klassische Automatenspiele in Spielhallen oder Gaststätten werden dagegen seltener genannt. Auch Videospiele mit Geldeinsatz, etwa durch Lootboxen, virtuelle Beutekiste mit zufälligen Inhalten, spielen in diesem Zusammenhang eine größere Rolle.

„Aus suchtpräventiver Sicht ist das hochrelevant“, erklärt Tobias Hayer, „Regulierungen von Werbung sollten nicht nur den Erstkontakt adressieren und etwaige Lockangebote etwa durch undurchsichtige Boni verbieten, sondern auch den Einfluss auf die Rückfallgefahr und die Aufrechterhaltung problematischen Glücksspielens ernst nehmen.“

Die „Klienten*innendokumentation der ambulanten Glücksspielsuchtberatungen in Niedersachsen“ ist eine Datenerhebung aus der ambulanten Glücksspielsuchtberatung. Grundlage der aktuellen Auswertung sind 876 dokumentierte Fälle aus dem Jahr 2024, die von Fachkräften an 24 Beratungsstellen im Land systematisch erfasst wurden – darunter sowohl Menschen mit eigenem Glücksspielproblem als auch ihre Angehörigen. Die Dokumentation wird jährlich im Auftrag des Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Digitalisierung erstellt und bietet eine umfassende Momentaufnahme zur Lage der ambulanten Glücksspielsuchtberatung. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Angaben auf Selbsteinschätzungen im Zuge der Beratungen beruhen, die untersuchten Personen eine spezielle Klientel darstellen und die Analyse keine direkten Ursache-Wirkungs-Beziehungen nachweisen kann.

Weitere Informationen

https://media.suub.uni-bremen.de/entities/publication/275dc049-6c9f-4b65-adfe-27bd2013d769

https://www.uni-bremen.de

Fragen beantwortet

Dr. Tim Bastian Brosowski

Universität Bremen – Arbeitseinheit Glücksspielforschung

E-Mail: timbro@uni-bremen.de

Tel.: 0421 218-68710

Universität Bremen
Hochschulkommunikation und -marketing
Telefon: +49 421 218-60150
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