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Korrektur
Lamers: Jospins Rede fehlt ein zusammenhängendes Konzept

Berlin (ots)

Zur Rede des französischen Premierministers Lionel
Jospin "Zur Zukunft des erweiterten Europas" ist in der heutigen
Ausgabe der französischen Tageszeitung La Tribune vom 29. Mai 2001
folgender Namensartikel des außenpolitischen Sprechers der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl Lamers MdB, erschienen:
Premierminister Lionel Jospin hat gestern seine lange angekündigte
Rede "Zur Zukunft des erweiterten Europas" gehalten. Es ist zu
begrüßen, dass sich fast ein Jahr nach dem französischen
Staatspräsidenten nun auch der französische Regierungschef zu Wort
gemeldet hat. An dieser Stelle kann nur eine erste und vorläufige
Analyse der Rede erfolgen. Auf den ersten Blick scheint Jospins Rede
allerdings von der innerfranzösischen Rivalität zwischen
Staatspräsident und Premierminister sowie von dem Bestreben, sich von
deutschen Vorstellungen abzugrenzen, geprägt zu sein. Jospin sagt
mehr was er nicht will und weniger was er will.
Vieles, was Jospin in seiner Rede sagt, ist richtig und wichtig.
Dennoch ist ein zusammenhängendes Konzept in seinen Überlegungen zur
künftigen Verfasstheit der Europäischen Union nicht zu erkennen.
Jospin ist zuzustimmen, dass es zuerst auf die Inhalte Europas
ankommt und erst daraus der institutionelle Aufbau, der Bauplan
Europas abzuleiten ist. Heute kommt es daher mehr denn je auf eine
Grundsatzdebatte über Europas Selbstverständnis, über das
"Europäische Modell", an. Jospins Rede liefert hierzu leider nur
einen kleinen Beitrag.
Die Rede von Premierminister Jospin ist vor allem auch ein
weiteres Beispiel für den schlechten Zustand der
deutsch-französischen Beziehungen. Auch Jospin hat sich, wie vor ihm
Fischer und Schröder, nicht zum Ziel gesetzt, einen
deutsch-französischen Beitrag in die Verfassungsdebatte einzubringen.
Der anliegende Text ist frei!
Lamers: Noch eine deutsch-französische Gelegenheit verpasst
Artikel des Außenpolitischen Sprechers der
CDU/CSU-Bundestags-fraktion, Karl Lamers MdB, in der französischen
Tageszeitung "La Tribune", 29.5.2001:
Premierminister Lionel Jospin hat gestern seine lange angekündigte
Rede "Zur Zukunft des erweiterten Europas" gehalten. Es ist zu
begrüßen, dass sich fast ein Jahr nach dem französischen
Staatspräsidenten nun auch der französische Regierungschef zu Wort
gemeldet hat. An dieser Stelle kann nur eine erste und vorläufige
Analyse der Rede erfolgen. Auf den ersten Blick scheint Jospins Rede
allerdings von der innerfranzösischen Rivalität zwischen
Staatspräsident und Premierminister sowie von dem Bestreben, sich von
deutschen Vorstellungen abzugrenzen geprägt zu sein. Jospin sagt mehr
was er nicht will und weniger was er will.
Dem Premierminister ist zuzustimmen, dass vor jeder Diskussion
über die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der EU und den
Mitgliedstaaten sowie über die institutionelle Architektur der EU
zuerst die grundlegende Frage welches Europa wir wollen, d.h. was
Europa tun soll, beantwortet werden muss. Zweifellos kommt es
zunächst auf die grundlegenden Inhalte an. Es darf nicht der Eindruck
erweckt werden, bei der Verfassungsdebatte ginge es lediglich um eine
weitere Reform der Strukturen und Institutionen der EU. Im Kern der
Debatte um die künftige Gestalt der EU muss vielmehr die Frage nach
der europäischen Identität stehen. Nur wer die Frage nach den
Grundlagen der Zusammenarbeit, d.h. die Frage nach dem europäischen
Selbstverständnis beantwortet hat, kann auch die Frage beantworten,
was wir Europäer gemeinsam tun wollen, und wie wir diese
Zusammenarbeit organisieren wollen.
Die Verbindung einer effizienten Wirtschaft mit einer
solidarischen Gesellschaftsordnung ist das "Europäische" an Europa.
Wir Deutsche haben für unser Modell den Begriff der "Sozialen
Marktwirtschaft" geschaffen. Auch unsere europäischen Partner fühlen
sich den grundlegenden Inhalten und Zielen der "Sozialen
Marktwirtschaft" verpflichtet, auch wenn sie zumeist andere Begriffe
verwenden. Man kann daher zu Recht von der Existenz eines
"Europäischen Modells" sprechen, über das wir allerdings in der EU
noch nie wirklich diskutiert haben und das vor dem Hintergrund der
Globalisierung zumindest teilweise neu definiert werden muss. Eine
Debatte über die Inhalte Europas ist daher mehr als notwendig.
Dennoch darf diese Debatte über die Inhalte, über die Grundlagen
der europäischen Einigung nicht mit einer Debatte über Details wie
die europäischen Fonds, die gemeinsamen Politiken und europäische
Richtlinien verwechselt werden. Eine wirkliche Grundsatzdebatte über
das Fundament der Europäischen Union ist nötig. Die zahlreichen
europapolitischen Vorschläge Jospins von der Sozialpolitik bis hin
zur Beschäftigungspolitik setzen einen grundlegenden Konsens über das
"Europäische Modell" im Zeitalter der Globalisierung voraus, der erst
noch erreicht werden muss. Detailvorschläge, wie die Schaffung eines
Fonds für Konjunkturmaßnahmen, sind zudem stets und legitimerweise
Gegenstand politischer Richtungsdebatten auf nationaler wie
europäischer Ebene und daher keine Grundlage für einen breiten
Konsens über das "Europäische Modell" um den es zunächst gehen muss.
Bei den Inhalten scheint Jospin somit mehr auf eine punktuelle
Ergänzung und den Erhalt bereits bestehender Gemeinschaftspolitiken
abzustellen, denn auf eine Überprüfung aller Politiken aufgrund eines
grundlegenden Konsenses über das künftige "Europäische Modell", über
das was Europa tun soll.
Premierminister Jospin hat recht, wenn er ausführt, dass jeder
europäische Verfassungsvertrag das Spannungsverhältnis zwischen
föderalen europäischen Elementen und den gewachsenen Nationalstaaten
berücksichtigen muss. Ein föderales Europa, in der Worten Jospins
eine "Föderation der Nationalstaaten", darf und wird kein
zentralisiertes Europa sein, in dem sich die Nationalstaaten
auflösen. Diese Überlegungen zeigen, dass sich Inhalte und
institutionelle Architektur nicht trennen lassen, denn die Bewahrung
der historisch gewachsenen Nationalstaaten als politisch
handlungsfähige Einheiten ist bereits eine Entscheidung über die
Inhalte und Grundlagen der künftigen EU. Zudem stellt sich in diesem
Zusammenhang sofort die Frage nach der notwendigen Abgrenzung der
Zuständigkeiten zwischen der europäischen und der nationalen Ebene.
Klar abgegrenzte Kompetenzen ermöglichen den Nationalstaaten und
ihren Bürgern zu erkennen, worauf sie sich bei einer
Kompetenzübertragung auf die europäische Ebene einlassen.
Aus den institutionellen Überlegungen Jospins ergibt sich kein
zusammenhängendes Gesamtbild, kein Bauplan für die EU des 21.
Jahrhunderts. Die Wahl des Kommissionspräsidenten durch das
Europäische Parlament ist der einzige konkrete Vorschlag zur Stärkung
der Kommission und des Europäischen Parlaments. Demgegenüber sollen
sowohl der Europäische Rat als auch der Ministerrat deutlich
aufgewertet werden. Dies stützt nicht die institutionelle Balance
zwischen Kommission, Parlament und Rat, sondern verschiebt das
Gewicht zugunsten des Rates. Insgesamt scheinen die Vorschläge
Jospins somit auf eine "Intergouvernementalisierung" der bestehenden
Architektur hinauszulaufen. Zudem veranschaulicht der Vorschlag, dem
Europäischen Rat ein Auflösungsrecht gegenüber dem Europäischen
Parlament zu geben, dass nicht nur deutsche Vorschläge von nationalen
Erfahrungen geprägt sind, sondern auch Jospin sich von nationalen
Konzepten leiten lässt, denn dieser Vorschlag entspricht der
französischen Konstruktion, in der der Staatspräsident die
Nationalversammlung auflösen kann. Deshalb plädiere ich dafür, nicht
ständig Diskussionsbeiträge aus anderen Ländern mit der Bemerkung,
diese orientierten sich zu sehr am politischen System des jeweiligen
Landes, abzuqualifizieren. Eine europäische Debatte über Europas
Zukunft lebt schließlich von Beiträgen aus allen Mitgliedsländern,
die selbstverständlich auch die jeweiligen nationalen Erfahrungen
zumindest implizit widerspiegeln. Dies wird beispielsweise darin
deutlich, dass französische Überlegungen zur künftigen Verfasstheit
der EU, auch die Rede Jospins, den nationalen Parlamenten eine
größere Rolle zubilligen. Den nationalen Parlamenten die Rolle eines
Wächters über die Einhaltung der Kompetenzabgrenzung zu geben und
einen Mechanismus zur beschleunigten Vertragsänderung zu entwickeln
ist überlegenswert, darf allerdings nicht zur Schaffung eines
weiteren europäischen Organs führen. Europas institutionelle Struktur
muss vereinfacht, nicht weiter verkompliziert werden.
Leider ist die Rede von Premierminister Jospin vor allem auch ein
weiteres Beispiel für den schlechten Zustand der
deutsch-französischen Beziehungen. Auch Jospin hat sich, wie vor ihm
Fischer und Schröder, nicht zum Ziel gesetzt, einen
deutsch-französischen Beitrag in die Verfassungsdebatte einzubringen.

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