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EKD - Evangelische Kirche in Deutschland

Trauergottesdienst für Johannes Rau Wolfgang Huber: "Sein Leben predigt uns die Kraft des Glaubens"

Hannover (ots)

Johannes Rau habe stets an der "Verbesserlichkeit
der Welt" festgehalten, sagte der Vorsitzende des Rates der 
Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, in
seiner Predigt im Trauergottesdienst für den Bundespräsidenten a.D. 
am 7. Februar im Berliner Dom. Zugleich habe ihm die Heiterkeit des 
Glaubens geholfen, mit der Unzulänglichkeit der Welt zurecht zu 
kommen. "Genau hinschauend und den Menschen zugewandt traf er den 
Ton, der die Menschen erreichte, und bewegte ihr Schicksal." In 
seiner letzten Bibelarbeit beim Evangelischen Kirchentag in Hannover 
habe Rau erklärt, dass der christliche Glauben ihm Trost und Hoffnung
im Leben und im Sterben sei. "Jeder sollte wissen, woher er 
Zuversicht und Kraft schöpfte." Aus dieser Kraft heraus habe er aber 
auch jeden respektiert, der in seinem Leben auf andere Weise 
Orientierung finde. "Sein Leben predigt uns die Kraft des Glaubens," 
so Wolfgang Huber. "Es lehrt uns zugleich, was Toleranz aus 
Glaubensfestigkeit bewirken kann. Und das ist nicht die schlechteste 
Art von Toleranz. Mehr noch: Toleranz aus Überzeugung ist die einzige
Form von Toleranz, die auf Dauer trägt."
Hannover, 07. Februar 2006
Pressestelle der EKD
Silke Fauzi
Es folgt die Predigt im Wortlaut:
Bischof Wolfgang Huber
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
Predigt im Trauergottesdienst
Für Bundespräsident a. D. Johannes Rau
am 7. Februar 2006 im Berliner Dom
Sehr verehrte Frau Rau, liebe Anna, Philipp und Laura Rau,
verehrte Angehörige und Weggefährten des Verstorbenen,
sehr geehrter Herr Bundespräsident, liebe Trauergemeinde,
Wohl wussten wir und wusste Johannes Rau selbst, wie sehr sein 
Leben vom Tod, dem "letzten Feind" - wie die Bibel sagt -, bedroht 
war, vor allem seit der Herzoperation vor eineinhalb Jahren. Eine 
schwere Erfahrung. Er hat sie nicht verborgen. Als Gezeichneter trat 
er vor die Öffentlichkeit, hielt Reden, zum Beispiel eine bewegende 
Bibelarbeit auf dem Evangelischen Kirchentag in Hannover im Juni 
vergangenen Jahres. Seine Hoffnung auf Genesung war stark, hatte er 
doch vor vierzehn Jahren eine Krebsoperation überstanden. Bei diesem 
Anlass hatte Heinrich Albertz ihm das Wort mitgegeben: "Wir können 
nicht tiefer fallen als in Gottes Hände." Es wurde ihm zu einem 
Leitwort für sein weiteres Leben - bis zuletzt.
Nun hat sich dieses Wort auf seine Weise erfüllt, in einem 
friedlichen Sterben nach der langen Krankheitszeit. Nun kam der Tod 
und für uns der Abschied von ihm, den wir doch so liebten. Und wir 
wissen alle, wie sehr wir ihn weiter gebraucht hätten, seine 
Allernächsten zumal. Sich da mit eigenen Worten trösten zu wollen, 
wäre zu schwach für Eure, für unsere Trauer. Nun sind ein anderer 
Trost und eine andere Hilfe nötig, als wir sie uns selbst sagen 
können.
Solche Hilfe kommt zu uns aus dem Bibelwort im 119. Psalm, das als
Losung über dem Tag des Todes von Johannes Rau stand: "Lass meinen 
Gang in Deinem Wort fest sein und kein Unrecht über mich herrschen" 
(Psalm 119, 133).
Als evangelischer Christ reformierter Prägung liebte Johannes Rau 
die Psalmen. Gerade weil er selber eine Scheu hatte, von seinem 
persönlichen Glauben zu sprechen, fand er formulierte Gebete - und 
darunter vor allem die Psalmen - so hilfreich. Beim Beten sei man nie
sicher, so bekannte er einmal, ob man nur ein Selbstgespräch führe. 
Statt den Adressaten zu suchen, suche man dann eben leicht nur sich 
selbst.
Den Adressaten des Gebets, Gott, suchte und fand Johannes Rau im 
Wort der Bibel. Deshalb las er, wenn irgend möglich, täglich die 
Worte der Herrnhuter Losungen. So wollen wir auch heute auf das Wort 
des Psalmisten hören, das Johannes Raus letztem Tag galt. Wir achten 
auf dieses Wort zunächst in seinem ersten Teil: "Lass meinen Gang in 
deinem Wort fest sein!"
Wie viele biblische Worte hatte Johannes Rau in seinem begnadeten 
Gedächtnis aufbewahrt! Aber es ging ihm darum, in den Worten der 
Bibel das eine Wort zu finden und zu erkennen. Von diesem Wort sagt 
das berühmte evangelische Bekenntnis, das im Jahr 1934 in Raus 
Heimatstadt Wuppertal-Barmen entstand: "Jesus Christus, wie er in der
Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu 
hören, dem wir im Leben und Sterben zu vertrauen und zu gehorchen 
haben." In diesem Wort wurden der Gang und der Weg von Johannes Rau 
fest und sicher.
Dieses Wort ist eigentlich ein Name. Den hatte er schon in seinem 
Elternhaus lieb gewonnen. Seinem Wunsch folgend erscheint deshalb 
auch auf seiner Todesanzeige dieser Name - mit dem befremdlichen Satz
aus dem Matthäus-Evangelium: "Dieser war auch mit dem Jesus von 
Nazareth." Derselbe Satz steht auf dem Grabstein von Ewald Rau, dem 
Vater von Johannes Rau.
Ursprünglich ein Satz der Denunziation, wird er von jener Magd 
gesprochen, die Petrus im Hof des Hohenpriesters entdeckt und mit dem
Finger auf ihn zeigt: "Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth." 
Was darauf folgt, wissen wir alle: Petrus leugnet. Eine dreifache 
Verleugnung, bis der Hahn kräht. Die Hähne auf unseren Kirchtürmen 
erinnern daran.
Johannes Rau hat als Kind noch erlebt, wie Christen denunziert 
wurden. Er kannte die Gefährlichkeit des Bekenntnisses zu Jesus. 
Deshalb hat es ihn auch nicht irritiert, wegen der Eindeutigkeit 
seines Bekenntnisses als "Bruder Johannes" bezeichnet und 
gelegentlich auch belächelt zu werden. Im Gegenteil: Jeder sollte 
wissen, woher er Zuversicht und Kraft schöpfte. Aus dieser Kraft 
heraus respektierte er jeden, der in seinem Leben auf andere Weise 
Halt und Orientierung fand. So sagte er es in seiner Antrittsrede als
Bundespräsident; und so bestätigte er es in seiner letzten 
Bibelarbeit in Hannover: "Ich selber schöpfe Zuversicht und Kraft aus
dem christlichen Glauben, der mir Trost und Hoffnung ist im Leben und
im Sterben. Gleichzeitig habe ich Respekt vor allen, die ihr Leben 
auf andere Fundamente gründen." Sein Leben predigt uns die Kraft des 
Glaubens. Es lehrt uns zugleich, was Toleranz aus Glaubensfestigkeit 
bewirken kann. Und das ist nicht die schlechteste Art von Toleranz. 
Mehr noch: Toleranz aus Überzeugung ist die einzige Form von 
Toleranz, die auf Dauer trägt.
So bewährte sich in seinem Leben das Wort des Psalmisten in seinem
ersten Teil: "Lass meinen Gang in deinem Wort fest sein." Die 
Orientierung an diesem Wort wollte er weitergeben. Dass dieses Wort 
uns dabei hilft, die Menschen zu lieben, hat er vorgelebt. Dass 
Politik "angewandte Nächstenliebe" ist, war für ihn keine leere 
Formel. Wenn er "versöhnen statt spalten" wollte, so lag der Grund 
dafür in der Liebe zu den Menschen und nicht etwa in einer 
einfältigen Sicht der Dinge, der nicht bewusst wäre, dass Politik 
immer auch ein Kampf um Macht ist. Doch diese Macht ist kein 
Selbstzweck. Darum ging es ihm. Deshalb war er als Christ Politiker 
und als Politiker Christ. Der Wahlspruch der Bekennenden Kirche wurde
zu seinem eigenen: "Ich halte stand, weil ich gehalten werde."
Dass diese Bindung nicht in eine religiöse Enge, sondern in die 
Weite führt, darauf weist der zweite Teil des Losungswortes vom 27. 
Januar, Johannes Raus Todestag: "Lass kein Unrecht über mich 
herrschen!"
Das Recht soll also über uns herrschen; es macht uns zu Anwälten 
der Gerechtigkeit. Unvergesslich wird vielen die knappe Ansprache 
bleiben, die Johannes Rau unmittelbar nach seiner Wahl zum 
Bundespräsidenten hielt. In ihr machte er deutlich, dass nach der 
Verfassungsordnung, in der wir in Deutschland leben, die Würde des 
Menschen unantastbar ist und nicht nur die Würde der Deutschen. In 
der für ihn schwersten Stunde seines politischen Lebens, nach dem 
Amoklauf in Erfurt, zeigte er, wie ernst er das nahm: "Was immer ein 
Mensch tut, sagte er damals in Erfurt, er bleibt doch ein Mensch." 
Der Blick für die Menschen unterschiedlichster Herkunft, das offene 
Herz für jede und jeden einzelnen sowie die unerschöpfliche 
Erinnerungsfähigkeit an persönliche Schicksale und Begegnungen haben 
hier ihre Wurzel. Genau hinschauend und den Menschen zugewandt traf 
er den Ton, der die Menschen erreichte, und bewegte ihr Schicksal. 
Was ihm wichtig war, nahm er in die Hand - mit unendlicher 
Beharrlichkeit. Immer hielt er fest an der Verbesserlichkeit der 
Welt. Zugleich half ihm die Heiterkeit des Glaubens, mit ihrer 
Unzulänglichkeit zurechtzukommen.
Johannes Rau ist tot. Er wusste um den einzigen Trost im Leben und im
Sterben. Aber er wusste auch, dass das Wissen eines ist und die 
Erfahrung ein anderes. "Hoffentlich gelingt das Vertrauen auf den 
Einen. Man weiß es bis zur letzten Stunde nicht," bekannte er ein 
halbes Jahr vor seinem Tod. Dabei schöpfte er zugleich Mut aus einem 
Satz seines väterlichen Freundes Gustav Heinemann: "Wenn die Welt 
euch drohen will, lasst euch nicht schrecken: eure Herren gehen, 
unser Herr aber kommt." Ihm darf er nun entgegengehen.
Von Johannes Rau nehmen wir Abschied, unmittelbar nachdem wir 
Dietrich Bonhoeffers gedacht haben, der vor einhundert Jahren geboren
wurde. Eine Biographie Dietrich Bonhoeffers war seine letzte Lektüre.
Von "guten Mächten" war er geborgen, als er starb. Zu diesen guten 
Mächten, die Gott ihm zur Seite stellte, gehörten seine Nächsten, 
seine Frau und seine Kinder. Zu ihnen gehörten alle, die ihm 
beistanden. Solche guten Mächte sind die Worte des Glaubens, die uns 
begleiten, Worte der Bibel und des Gesangbuchs. Eine solche gute 
Macht ist Jesus Christus, das eine Wort Gottes. Johannes Rau war auch
mit dem Jesus von Nazareth, dem Wort Gottes, der guten Macht, in der 
wir ihn geborgen wissen. In dieser Geborgenheit ist Johannes Rau 
gestorben; am Ende war es ein sanfter Tod. Und die guten Mächte 
helfen nun uns bei diesem Abschied. Öffnen wir uns für sie. Denn sie 
sind bei uns. Der, dem Johannes Rau nun entgegengeht, macht unser 
Herz weit für sie. Amen.
Evangelische Kirche in Deutschland
Hans-Christof Vetter
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail:  christof.vetter@ekd.de

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