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EKD - Evangelische Kirche in Deutschland

Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen/ Ein evangelisches Wort zu Krieg und Frieden in Afghanistan

Hannover (ots)

In dieser Woche findet die Afghanistankonferenz
in London statt. Die Bundeskanzlerin gibt eine Regierungserklärung 
ab, der Deutsche Bundestag debattiert über das Thema. Wir nehmen 
diese politischen Termine zum Anlass, einige Gesichtspunkte zu 
unterstreichen, die wir - in unseren Ämtern als Vorsitzende des Rates
der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), als 
Friedensbeauftragter des Rates und als evangelischer Militärbischof -
in der aktuellen Diskussion über Krieg und Frieden in Afghanistan 
geltend gemacht haben. Dabei orientieren wir uns an der 
Friedensdenkschrift der EKD aus dem Jahr 2007. Auch angesichts der 
Lage in Afghanistan bewähren sich ihre beiden Leitgedanken:  
Christinnen und Christen leben aus Gottes Frieden und sollen für 
gerechten Frieden sorgen.
Die Vereinten Nationen haben mit der vom Sicherheitsrat 
beschlossenen militärischen Intervention den Weg für eine bessere 
Zukunft Afghanistans frei machen wollen. Das Ziel war und ist die 
Überwindung des Terrors der Taliban und der Aufbau der 
Zivilgesellschaft. Nach mehr als acht Jahren ist es Zeit, Bilanz zu 
ziehen und, wo erforderlich, Kurskorrekturen vorzunehmen.
In dieser Situation wenden wir uns an die Mitglieder des Deutschen
Bundestages und die Bundesregierung und bitten sie, sich für 
Folgendes einzusetzen und dafür auch internationale Unterstützung zu 
suchen:
1)	Eine umfassende Bestandsaufnahme der Lage in Afghanistan unter 
Beteiligung der zivilen Hilfsorganisationen ist dringlich. Dabei muss
der Aufbau der Zivilgesellschaft die erkenntnisleitende Frage sein.
2)	Das politische Konzept für Afghanistan hat neben der zivilen 
auch eine militärische Seite. Sie ist von vornherein unter dem 
Gesichtspunkt zu betrachten, wie der Aufbau der Zivilgesellschaft 
geschützt und gefördert werden kann. Wir werben dafür, dass nicht die
militärische Logik das Denken, Planen und Organisieren für 
Afghanistan beherrscht, sondern dass den zivilen Anstrengungen der 
Vorrang zukommt, der ihnen in friedensethischer Hinsicht gebührt.
3)	Im zivilen Aufbau sind erste Erfolge zu verzeichnen. Ohne die 
ISAF-Schutztruppen wäre vieles davon nicht möglich gewesen. 
Andererseits gibt es viele Opfer auf ziviler und militärischer Seite,
und der Wiederaufbau des Landes kommt nur schleppend voran. So bleibt
die Bilanz zwiespältig und ernüchternd.
4)	 Die Konsequenz kann nur heißen, die Arbeit der zivilen 
Friedenskräfte der Regierungen und den Beitrag der der Entwicklung 
und der humanitären Hilfe dienenden Nichtregierungsorganisationen 
quantitativ und qualitativ zu verbessern. Auf die folgenden Faktoren 
wird besonders zu achten sein: die öffentliche Ordnung, die 
Sicherheit der Bevölkerung durch polizeilichen Schutz und ein 
funktionierendes Rechtssystem, den Aufbau einer Wirtschaft, die nicht
auf Krieg und Rauschgiftproduktion angewiesen ist, die Integration 
von Bevölkerungsgruppen, die von den Taliban abhängig sind, und die 
Anbahnung von Gesprächen mit den Taliban selbst, die Gewährleistung 
der Basisinfrastruktur und die Überwindung des offensichtlichen 
Legitimitätsdefizits der afghanischen Regierung.
5)	Das zivile und das militärische Handeln müssen aufeinander 
bezogen und zugleich deutlich voneinander unterschieden sein. Die 
afghanische Bevölkerung muss wissen, ob sie es im konkreten Fall mit 
militärischen oder mit zivilen Kräften zu tun hat. Dies ist  für den 
Erfolg des gesamten Einsatzes von grundlegender Bedeutung.
6)	Eine Intervention mit militärischen Zwangsmitteln wie in 
Afghanistan muss von einer Politik getragen werden, die über klare 
Strategien und Ziele verfügt, Erfolgsaussichten nüchtern veranschlagt
und von Anfang an bedenkt und darlegt, wie eine solche Intervention 
auch wieder beendet werden kann.
7)	Bei den in der Friedensdenkschrift der EKD entwickelten 
Kriterien für den Einsatz rechtserhaltender Gewalt handelt es sich um
Prüfgesichtspunkte, die es erlauben sollen, die Handlungsoptionen 
ethisch zu beurteilen. Wir sehen gegenwärtig nicht, dass der Einsatz 
anhand der friedensethischen Kriterien eindeutig gebilligt oder 
abgelehnt werden könnte. Sicher aber ist: Die Prüfung weist auf 
deutliche Defizite hin. Ein bloßes "Weiter so" würde dem 
militärischen Einsatz in Afghanistan die friedensethische 
Legitimation entziehen.
Auf nationaler Ebene bitten wir, folgende Option zu prüfen: Der 
Deutsche Bundestag sollte im Zusammenhang mit der Erteilung des 
Mandats für die Bundeswehr einen Beschluss auch zum Einsatz der 
zivilen Kräfte fassen. Mit einer solchen "Mandatierung" wäre eine 
deutlichere öffentliche Wahrnehmung und Wertschätzung der zivilen 
Anstrengungen verbunden. Die Aufwendungen für das zivile Engagement 
sollten erkennbar zu denen des militärischen Einsatzes in Beziehung 
gesetzt werden. Darüber hinaus sollte ein Datum beschlossen werden, 
an dem der gesamte Einsatz evaluiert wird.
Frieden muss "gestiftet", also gemacht, werden. Wir bekunden 
allen, die in Afghanistan für den Frieden arbeiten - den 
Mitarbeitenden der zivilen Aufbauhilfe, dem diplomatischen Dienst, 
den politischen Repräsentanten der Vereinten Nationen, den 
Angehörigen der Bundeswehr und anderer internationaler Streitkräfte 
-, unseren Respekt und unsere Dankbarkeit. Wir beten für den Frieden 
in Afghanistan und das friedliche Zusammenleben der verschiedenen 
Volksgruppen in diesem Land. In unsere Fürbitte beziehen wir die 
Mitglieder des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung ein. Wir
wissen um die Last, die sie zu tragen und die Verantwortung, welche 
sie wahrzunehmen haben. Die evangelische Kirche beteiligt sich mit 
Hilfsorganisationen am zivilen Aufbau des Landes und begleitet die 
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr durch ihre Militärseelsorge.
Bei all unserem Reden und Tun lassen wir uns vom Friedenzeugnis 
der Heiligen Schrift leiten: Frieden ist eine Frucht der 
Gerechtigkeit, heißt es im Buch des Propheten Jesaja. Und Jesus nennt
in der Bergpredigt die selig, die Frieden stiften. Gottes Frieden 
anzusagen und, getragen von dieser Gewissheit, sich für einen 
gerechten Frieden auf dieser Erde einzusetzen,  ist  Aufgabe der 
Kirche.
Hannover, 25. Januar 2010
Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann,
Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
Präses Nikolaus Schneider,
stellvertretender Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in 
Deutschland
Landessuperintendent Dr. Martin Dutzmann,
Evangelischer Militärbischof
Schriftführer Renke Brahms,
Friedensbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in 
Deutschland

Pressekontakt:

Evangelische Kirche in Deutschland
Reinhard Mawick
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail: reinhard.mawick@ekd.de

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