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Statistisches Bundesamt

Fluchtmigration trägt seit Ende 2014 zu Bevölkerungswachstum in Deutschland bei

WIESBADEN (ots)

  • Bevölkerung zwischen Jahresende 2014 und 30. Juni 2022 um 2,9 Millionen Menschen gewachsen, Zahl der Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit aber rückläufig
  • Anteil der Bevölkerung im Erwerbsalter im selben Zeitraum gesunken, Entwicklung durch Zuwanderung gebremst
  • Nettozuwanderung im 1. Halbjahr 2022 auf höchstem Stand seit Deutscher Vereinigung
  • Erwerbsbeteiligung ausländischer Bevölkerungsgruppen hängt auch von deren Bildungshintergrund ab

Die Bevölkerung in Deutschland ist seit 2014 gewachsen, der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter ging jedoch zurück. Abgeschwächt wurde diese Entwicklung durch die Zuwanderung, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Am 30. Juni 2022 lebten hierzulande 2 882 000 Menschen mehr als zum Jahresende 2014. Dieser Anstieg ist vor allem auf die Fluchtmigration im Zusammenhang mit Krieg und Gewalt in Syrien, Afghanistan und dem Irak 2015/2016 sowie nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine zurückzuführen. Aber auch aus den EU-Staaten Rumänien, Bulgarien und Polen sind stetig Zuzüge zu verzeichnen. Entsprechend nahm zwischen dem 31. Dezember 2014 und dem 30. Juni 2022 die Zahl der Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit zu (+4 341 000), während die Zahl jener mit deutscher Staatsangehörigkeit rückläufig war (-1 458 000).

Im selben Zeitraum ist in Deutschland der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 bis unter 65 Jahre) zurückgegangen - von 65,8 % zum Jahresende 2014 auf 63,6 % zum Ende des 1. Halbjahres 2022. Diese Entwicklung wurde durch die Zuwanderung aus dem Ausland gedämpft: Zwar ging der Anteil der 15- bis unter 65-Jährigen auch in der ausländischen Bevölkerung zurück: von 81,1 % auf 75,9 %. Er lag damit aber noch deutlich über dem der 15- bis unter 65-Jährigen mit deutscher Staatsbürgerschaft, der von 64,2 % auf 61,6 % sank. Unter den ausländischen Bevölkerungsgruppen mit den höchsten Zuzügen war der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter vergleichsweise hoch. So betrug er Ende Juni 2022 bei Polinnen und Polen 83,1 %, bei Rumäninnen und Rumänen 81,0 % sowie bei Bulgarinnen und Bulgaren 77,5 %. Dies deutet auf eine Zuwanderung mit dem konkreten Ziel der Arbeitsmarktbeteiligung hin. Unter Ukrainerinnen und Ukrainern lag der Anteil mit 64,3 % dagegen deutlich niedriger. Darin spiegelt sich wider, dass ein Großteil der vor dem Krieg in der Ukraine Geflüchteten Kinder und ältere Menschen sind.

Höchststand bei Nettozuwanderung im 1. Halbjahr 2022

Die Flucht vor Krieg und Gewalt dominierte das Wanderungsgeschehen mit dem Ausland in den Jahren 2015/2016 sowie im 1. Halbjahr 2022. Von Januar bis Juni dieses Jahres gab es eine Nettozuwanderung, also einen positiven Saldo zwischen Zu- und Fortzügen, von 1 046 000 Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Das ist die höchste Nettozuwanderung, die seit der Deutschen Vereinigung innerhalb eines Halbjahres registriert wurde. Zum Höhepunkt der Fluchtzuwanderung von 2015 und 2016 lag der Wanderungssaldo im 2. Halbjahr 2015 bei +756 000 Menschen. Ukrainerinnen und Ukrainer machen den mit Abstand größten Teil der im 1. Halbjahr 2022 netto Zugewanderten aus (740 000 Personen), doch auch die Nettozuwanderung von Menschen mit anderen Nationalitäten hat im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich zugenommen. So stieg die Nettozuwanderung von Syrerinnen und Syrern von rund 20 000 auf 23 000. Die Zahl der netto zugezogenen Afghaninnen und Afghanen vervierfachte sich nahezu gegenüber dem 1. Halbjahr 2021 von rund 7 000 auf 28 000 - Fluchtbewegungen nach der Machtübernahme der radikalislamistischen Taliban dürften hierfür die Ursache sein. Jenseits von Fluchtmigration stieg auch die Nettozuwanderung von Polinnen und Polen von rund 7 000 auf 11 000, die von Rumäninnen und Rumänen nahm von rund 26 000 auf 31 000 zu.

Betrachtet man nur die Bevölkerung im Erwerbsalter, so gab es im 1. Halbjahr 2022 eine Nettozuwanderung von 715 000 Ausländerinnen und Ausländern (1. Halbjahr 2021: 113 000). In den Jahren 2019 bis 2021 war die Nettozuwanderung von Menschen im Erwerbsalter zurückgegangen, vor allem von Ausländerinnen und Ausländern aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Hatte die Nettozuwanderung aus EU-Staaten 2014 noch 251 000 Personen betragen, war sie im vergangenen Jahr mit 89 000 nur noch etwa ein Drittel so hoch. Bei Zugewanderten aus Rumänien, Bulgarien und Polen war die Nettozuwanderung in den vergangenen Jahren häufig deutlich niedriger, weil es neben einer großen Zahl an Zuzügen auch relativ viele Fortzüge gab. Dies unterscheidet sie von anderen Zuwanderungsgruppen und könnte auf einen befristeten Aufenthalt, beispielsweise als Saisonarbeitskräfte, hindeuten.

Große Unterschiede ausländischer Bevölkerungsgruppen bei Bildungsstand und Erwerbstätigenquote

Die Integrationschancen von Zugewanderten in den hiesigen Arbeitsmarkt sind von verschiedenen Faktoren abhängig: Neben Migrationsmotiven, arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen sowie der Altersstruktur spielt auch der Bildungshintergrund der Zugewanderten eine wichtige Rolle. Ergebnisse des Mikrozensus für 2021 zeigen, dass unabhängig von der Nationalität die Erwerbstätigenquote von 15- bis unter 65-Jährigen umso höher ausfällt, je höher der Bildungsabschluss ist. Hinsichtlich der Bildungsstruktur - und damit auch mit Blick auf die Erwerbsbeteiligung - weisen die in jüngster Zeit hauptsächlich nach Deutschland zugewanderten Bevölkerungsgruppen große Unterschiede auf. So hatten 2021 rund 70 % der hierzulande lebenden Polinnen und Polen mindestens einen Berufsabschluss oder Abitur. Etwa die Hälfte waren es bei den Rumäninnen und Rumänen (54 %) sowie bei Bulgarinnen und Bulgaren (47 %). Dagegen waren fast zwei Drittel der Syrerinnen und Syrer gering qualifiziert, lediglich 38 % konnten mindestens einen Berufsabschluss oder Abitur vorweisen. Bei den Afghaninnen und Afghanen war dieser Anteil mit 21 % noch geringer. Von den Ukrainerinnen und Ukrainern, die bereits 2021 vor Beginn des Krieges in Deutschland lebten, hatten 81 % mindestens einen Berufsabschluss oder Abitur, fast die Hälfte (47 %) konnte einen Hochschulabschluss vorweisen.

Entsprechend unterschiedlich ist auch das Bild in punkto Erwerbsbeteiligung: Unter den 15- bis unter 65-Jährigen aus östlichen EU-Staaten war die Erwerbstätigenquote im Jahr 2021 vergleichsweise hoch: Bei Polinnen und Polen lag sie bei 78 %, bei Rumäninnen und Rumänen bei 75 %, und von den Bulgarinnen und Bulgaren waren knapp zwei Drittel (64 %) erwerbstätig. Deutlich geringer war die Erwerbstätigenquote bei Syrerinnen und Syrern (35 %) sowie bei Menschen mit afghanischer Staatsangehörigkeit (45 %). Hier dürfte unter anderem das niedrigere Bildungsniveau eine Rolle gespielt haben. Die Erwerbstätigenquote der Ukrainerinnen und Ukrainer, die bereits 2021 in Deutschland lebten, unterscheidet sich mit einer Quote von 64 % deutlich davon.

Aktuelle Daten zur Erwerbsbeteiligung von Ukrainerinnen und Ukrainern, die größtenteils in diesem Jahr nach Deutschland kamen, veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit jeweils zum Ende des Berichtsmonats. Demnach waren im Oktober 2022 hierzulande rund 443 000 erwerbsfähige Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit in den Jobcentern und Arbeitsagenturen registriert, weniger als die Hälfte davon (197 000) waren arbeitslos.

Methodische Hinweise:

Die Entwicklung der Bevölkerungszahlen in einem Zeitraum ergibt sich zum einen aus den Geburten und Sterbefällen, zum anderen aus den Zu- und Fortzügen, die die Standesämter beziehungsweise Meldebehörden den Statistischen Ämtern mitteilen. Die Bevölkerungsfortschreibung basiert auf den Ergebnissen des Zensus 2011. Nach der Veröffentlichung der neuen Zensusergebnisse ab November 2023 wird die Grundlage der Bevölkerungsberechnung aktualisiert.

In der Wanderungsstatistik werden Zu- und Fortzüge dargestellt, die nach den melderechtlichen Regelungen bei den zuständigen Meldebehörden gemeldet wurden. In Zeiten besonders hoher Zuwanderung können Verzögerungen bei der melderechtlichen Erfassung nicht ausgeschlossen werden. Über die Wanderungsmotive wie beispielsweise Flucht oder Vertreibung liegen keine Informationen vor. Die Ergebnisse zur Zuwanderung aus dem Ausland von Personen im erwerbsfähigen Alter basieren auf einer Sonderauswertung. Grundlage der Sonderauswertung aus der Wanderungsstatistik ist eine Auszählung von Rohdaten der von den Meldebehörden registrierten Zu- und Fortzüge ohne die übliche Plausibilisierung der Statistischen Ämter. Berücksichtigt werden bereits Rücknahmen von An- und Abmeldungen sowie für das Wanderungsvolumen relevante Korrekturen. Betrachtet werden für jeden Monat jeweils alle bis zum Ende des Folgemonats bei den Meldebehörden eingegangenen An- und Abmeldungen.

Die Ergebnisse zur Erwerbsbeteiligung stammen aus dem Mikrozensus.

Weitere Informationen:

Detaillierte Ergebnisse zum Bevölkerungsstand und zur Außenwanderung bieten die Tabellen 12411 und 12711 in der Datenbank GENESIS-Online sowie der Themenbereich "Bevölkerung" im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes.

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Diese Pressemitteilung ist, gegebenenfalls ergänzt mit weiteren Informationen und Verlinkungen zum Thema, veröffentlicht unter www.destatis.de/pressemitteilungen.

Pressekontakt:

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Telefon: +49 611-75 34 44

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