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Der Tagesspiegel: Caritas-Präsident Peter Neher: Umsetzung der Agenda 2010 unbefriedigend

Berlin (ots)

Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter
Neher, hat die Umsetzung der Agenda 2010 als unbefriedigend 
kritisiert. "Die Liste der Mängel ist lang", sagte er gegenüber dem 
Tagesspiegel am Sonntag. So fehlten immer noch hinreichend 
qualifizierte Fallmanager, die auf die Nöte der Menschen adäquat 
eingehen könnten. Arbeitslosengeld II-Bezieher seien bis heute mit 
unverständlichen Bescheiden konfrontiert und die im Gesetz 
vorgesehenen Sanktionen für Hilfeempfänger seien überzogen. 
"Einzelfallhilfen in Härtefällen sind kaum noch möglich - ein 
zentraler Konstruktionsfehler der Grundsicherung, der dringend 
korrigiert werden muss", sagte Neher. Er forderte, die staatliche 
Unterstützung von heute 347 Euro im Monat um 25 Euro zu erhöhen.
Im Blick auf das gesellschaftliche Leben betonte der Caritas-Chef, es
sei in den letzten Jahren eine tiefe Verunsicherung entstanden. 
"Menschen können bei Verlust ihres Arbeitsplatzes relativ schnell 
sozial absacken, wenn sie keine adäquate Arbeit mehr finden." Jeder 
Zehnte in Deutschland könne nicht mehr aus eigener Kraft seinen 
Lebensunterhalt verdienen. "Oft hängt damit ein Verlust des 
Selbstwertgefühls und ein Gefühl der Ohnmacht zusammen", sagte der 
Caritas-Präsident.
Langzeitarbeitslosigkeit lasse sich nur dann dauerhaft bekämpfen, 
"wenn wir mehr in die Bildung der nachwachsenden Generationen 
investieren." Das sei die beste Vorsorge gegen Armut später im 
Erwachsenenalter, erklärte Neher. Dabei gehe es nicht nur um die 
Verwertbarkeit der Menschen auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch um 
ihre Teilhabechancen - also um ihre Möglichkeiten, am 
gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und ihr persönliches Leben 
selbst bestimmt zu gestalten.
Der Caritas-Präsident forderte die Politik auf, Rahmenbedingungen zu 
schaffen, damit Kinder in Zukunft kein Armutsrisiko mehr darstellten.
Er plädiert für eine Kindergrundsicherung, "die es ermöglicht, dass 
Kinder unabhängig von der Arbeitsmarktsituation ihrer Eltern 
finanziell abgesichert sind." Ein erster Schritt sei der Ausbau des 
Kinderzuschlages. Er müsse von aktuell 140 Euro auf mindestens 150 
Euro erhöht werden. Die Caritas halte grundsätzlich auch einen 
eigenständigen Kinderregelsatz bei der Grundsicherung für 
erforderlich, der nicht einfach nur als Prozentsatz der 
Erwachsenengrundsicherung kalkuliert wird. "Familien mit Kindern 
müssen stärker finanziell entlastet werden. Das ist eine 
gesamtgesellschaftliche Aufgabe", betonte Neher.
Der Forderung von Politikern, überforderte oder nachlässige Eltern zu
staatlichen Erziehungskursen zu verpflichten oder mit einem Bußgeld 
zu belegen, erteilte der Caritas-Chef eine Absage. "Wir wissen, dass 
ein gewisser Teil der Eltern in Deutschland mit der Erziehung und 
Versorgung ihrer Kinder überfordert ist. Hier reicht allein eine 
Erhöhung der materiellen Zuwendungen nicht aus." Es sei aber zwingend
erforderlich, niedrigschwellige Angebote zu machen und sehr früh in 
Kontakt mit den Familien zu kommen. "Dabei setzen wir auf 
Freiwilligkeit. Wir halten nichts von Zwangsuntersuchungen".

Pressekontakt:

Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-308
Fax: 030-260 09-622
cvd@tagesspiegel.de


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