Save the Children Deutschland e.V.
"In Afghanistan ist kein kindgerechtes Leben möglich" - Report von Save the Children zeigt: Kinder in Afghanistan leben in ständiger Angst vor Gewalt
Berlin (ots)
Drei Jahrzehnte nach der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention ist der Alltag für Kinder in Afghanistan von ständiger Angst geprägt. In einer Befragung von Save the Children sagten zwei Drittel der Eltern, dass ihre Kinder fürchten, auf ihrem Schulweg Opfer von Explosionen, Entführungen oder anderen Formen extremer Gewalt zu werden. Save the Children veröffentlicht die Befragung zum 30. Jahrestag der UN-Kinderrechtskonvention am 20. November in einem Report zur Lage in Afghanistan.
"In Afghanistan ist kein kindgerechtes Leben möglich", sagt Susanna Krüger, Vorstandsvorsitzende von Save the Children Deutschland, die erst im Sommer Afghanistan besucht hat. "Was für unsere Kinder normal ist - im Freien zu spielen oder zur Schule zu gehen - geschieht dort an vielen Orten unter Lebensgefahr. Deshalb dürfen wir Geflüchtete nicht dazu ermutigen, nach Afghanistan zurückzukehren, etwa im Rahmen von freiwilligen Rückkehrprogrammen."
"Die UN-Kinderrechtskonvention gibt Kindern ein Recht auf Bildung, aber noch immer ist für Kinder in vielen Ländern ein Schulbesuch gar nicht möglich - etwa in Afghanistan, einem der gefährlichsten Länder für Kinder überhaupt", betont Susanna Krüger. "In unseren Projekten vor Ort habe ich gesehen, wie dankbar Kinder in Afghanistan sind, wenn sie einen sicheren Platz zum Spielen und Lernen haben. Diese Kinder, die nur ein Leben im Krieg kennen, brauchen eine Perspektive. Und Bildung ist der Schlüssel dazu."
Für die Umfrage wurden 600 Eltern und 90 Kinder in vier Provinzen befragt. In einigen Landesteilen gaben 95 Prozent der befragten Eltern an, dass ihre Kinder Konflikte erlebt hätten. In der Hauptstadt Kabul waren es 65 Prozent. Die überwiegende Mehrheit der Befragten sagte, dass sich Kinder auf dem Weg zur Schule, auf Marktplätzen oder in der Nähe von Regierungsgebäuden oder Kontrollpunkten der Sicherheitskräfte am wenigsten sicher fühlen. Nur 30 Prozent der Kinder fühlen sich in der Schule sicher, Mädchen fühlen sich weniger sicher als Jungen.
Auch beim Spielen mit Freunden leben Kinder in Afghanistan in ständiger Furcht vor Sprengstoffanschlägen, Waffengewalt und dem Geräusch von Kampfhubschraubern. Viele Kinder leiden unter Depressionen und Angstzuständen. Aber für sie gibt es kaum professionelle Hilfe.
Die Gewalt hat zuletzt sogar zugenommen: 2018 war für Kinder in Afghanistan das tödlichste Jahr seit Beginn des aktuellen Konflikts 2001: Laut UNO wurden 927 Kinder getötet und 2135 verletzt. Der Anstieg ist eine Folge der Zunahme von Luftangriffen und Selbstmordattentaten.
"30 Jahre nach Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention sind wir immer noch nicht in der Lage, unschuldige Kinder vor den Folgen des Krieges zu schützen", sagt Onno van Manen, Länderdirektor von Save the Children in Afghanistan. "Es darf nicht sein, dass Kinder nicht zur Schule gehen können, weil es einfach zu gefährlich ist."
Weitere wichtige Ergebnisse des Berichts sind:
- 62% der Eltern sagten, ihre Kinder hätten direkte oder indirekte Erfahrungen mit dem Konflikt gemacht. 38% von ihnen sagten, dass sich ihre Kinder wegen dieser Erfahrungen selbst Verletzungen zufügten, darunter überwiegend Mädchen - 73% der Eltern gaben an, dass ihre Kinder aufgrund von Konflikten Angst und Schrecken empfanden. - 48% der Eltern sagten, dass ihre Kinder aufgrund von Konflikten eine anhaltende Traurigkeit und Schlaflosigkeit erlebten. - 70% der Eltern gaben an, dass bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der afghanischen Armee und bewaffneten Oppositionsgruppen die größte Bedrohung für die Sicherheit ihrer Kinder darstellen. - Die Mehrheit der Eltern gab an, dass ihre Kinder auf dem Weg zur Schule (64%) und zum Markt (55%) am meisten Angst hatten. - 70% der Eltern gaben an, keinen Zugang zu Beratungsangeboten für ihre Kinder zu haben.
Save the Children fordert in einer aktuellen Petition: "Keine Bomben auf Schulen!" Die Kinderrechtsorganisation appelliert an Bundesaußenminister Heiko Maas, den Schutz von Schulen zum wesentlichen Bestandteil der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zu machen.
Hinweise für die Redaktionen:
- Nach Angaben des afghanischen Bildungsministeriums waren seit 2013 insgesamt 1153 Schulen von Gewalt betroffen. In den vergangenen Jahren gab es vermehrt gezielte Angriffe auf Schulen, das Jahr 2018 bildete mit 377 Angriffen einen traurigen Höhepunkt. Die Zunahme wird darauf zurückgeführt, dass viele Schulen als Wahllokale für die Parlamentswahl genutzt wurden. Zudem wurden in den vergangenen sechs Jahren insgesamt 2787 Schulbedienstete bei Angriffen verletzt. - Save the Children arbeitet seit 1976 in Afghanistan. Derzeit setzt die Kinderrechtsorganisation Programme in 16 der 34 Provinzen um, entweder direkt oder über Partnerorganisationen, und erreicht damit 700.000 Kinder. - Save the Children arbeitet eng mit der afghanischen Zivilgesellschaft zusammen - mit Kindern, Eltern, Lehrern, Dorfräten, religiösen Führern - sowie mit Ministerien und anderen internationalen Nichtregierungsorganisationen. - Die Umfrage fand im April 2019 in den Bezirken Kabul, Balkh, Rayab und Sar-e-Pul statt. - Derzeit gehen 3,7 Millionen Kinder in Afghanistan nicht zur Schule, davon 60% Mädchen. Neben der schlechten Sicherheitslage hindern auch Armut, Geschlechterdiskriminierung, die weite Entfernung von Schulen zum Wohnort und die schlechte Ausstattung von Schulen Kinder am Zugang zu Bildung. - Auch die Ernährungssituation in Afghanistan hat besorgniserregende Ausmaße angenommen. Mindestens 1,3 Millionen Kinder unter 5 Jahren sind akut mangelernährt. 41% der Kinder sind unterentwickelt, das ist eine der höchsten Raten weltweit.
Den vollständigen Bericht in englischer Sprache finden Sie hier: https://bit.ly/2KC4A5T
Multimedia-Material steht Ihnen unter diesem Link zur Verfügung: https://bit.ly/2D0B3yg
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