Wie Boomer-Reisen das Klima belasten
Eine Studie der Hochschule München (HM) zeigt: Wohlhabende Rentnerinnen und Rentner könnten zum Treiber steigender Emissionen im Tourismus werden. Besonders Fernreisen tragen dazu bei.
München, 09. Dezember 2025 – Immer mehr ältere Menschen verfügen über die finanziellen Mittel, um ausgiebig zu reisen, häufig auf energieintensive Kreuzfahrten oder Fernreisen. Eine neue Studie von Prof. Dr. Andreas Humpe von der Fakultät für Tourismus der Hochschule München (HM) zeigt nun, dass diese Entwicklung Auswirkungen auf die Klimaziele Deutschlands haben könnte. Gemeinsam mit internationalen Forschenden hat er untersucht, wie sich die Reisegewohnheiten der sogenannten Boomer-Generation auf die CO₂-Bilanz auswirken und ob die demografische Alterung Deutschlands das Land näher oder weiter weg von der Klimaneutralität bringt.
Auswertung der Reisedaten gibt Aufschluss über Emissionen
Für die Studie wertete das Team Daten aus der repräsentativen Reiseanalyse (RA) mit jährlich 7.259 Teilnehmenden sowie eine zusätzliche Norstat-Online-Umfrage von 1.101 Deutschen ab 55 Jahren aus. Analysiert wurden sowohl tatsächliche als auch geplante Reisen, von der Wahl der Verkehrsmittel bis hin zu Distanzen und bevorzugten Reisezielen. Ein besonderer Fokus lag auf den Emissionen aus dem Transportsektor, die den größten Anteil der Gesamtemissionen im Tourismus ausmachen.
Ein kleiner Teil verursacht die Hälfte der Emissionen
Die Studie zeichnet ein vielschichtiges Bild. Zwar reist ein erheblicher Teil der älteren Menschen wenig oder gar nicht, weil ihnen die finanziellen Mittel dazu fehlen. Doch eine wohlhabende Minderheit – rund sechs Prozent der über 65-Jährigen – verursacht etwa die Hälfte aller Reiseemissionen. Diese Gruppe verfügt über hohe Renten und Vermögen und plant deutlich mehr und vor allem weiter entfernte Reisen als frühere Generationen.
Zwei Zukunftsszenarien: „Status quo“ oder „Affluent Boomer“
Das Forschungsteam beschreibt zwei mögliche Entwicklungen für die kommenden Jahre. Im ersten Szenario, der sogenannten Fortsetzung des Status quo, könnten die tourismusbedingten Emissionen insgesamt leicht sinken. Der Grund: Derzeit reisen Menschen im Ruhestand zwar öfter, aber insgesamt kürzer und mit weniger CO₂-intensiven Verkehrsmitteln als Berufstätige. Da bis 2036 rund 19,5 Millionen Deutsche aus dem Erwerbsleben ausscheiden und nur 12,5 Millionen nachrücken, würde der Anteil dieser weniger emissionsstarken Gruppe wachsen.
Im zweiten Szenario, das die Forschenden „Affluent Boomer“ nennen, kippt dieser Effekt. Die Babyboomer gelten als außergewöhnlich wohlhabende Generation mit hohen Renten, Ersparnissen, guter Gesundheit und hoher Lebenserwartung. Sie sind daher nicht mit heutigen Ruheständlerinnern und Ruheständlern vergleichbar. Wenn diese Gruppe häufiger und vor allem weiter reist, etwa zu Fernzielen wie Australien, Kanada oder in die Karibik, könnten die Emissionen im Tourismussektor trotz Bevölkerungsalterung steigen. In diesem Fall würde der Tourismus zu einem wachsenden Problem für die Klimabilanz Deutschlands. Welche Entwicklung eintritt, hängt laut Studie vor allem davon ab, wie sich Wohlstand und Vermögen dieser Generation künftig verteilen.
Zwischen Wohlstand und Klimagerechtigkeit
Das Forschungsteam fordert die Regierung in ihrer Studie auf, frühzeitig und proaktiv zu handeln. Sie empfiehlt, die tatsächlichen Klimaschäden im Tourismussektor einzupreisen – besonders im Flugverkehr – und zusätzlich Abgaben auf sehr CO₂-intensive Reiseformen wie Kreuzfahrten oder Fernflüge zu prüfen. Nur so ließe sich ein möglicher Anstieg der Reiseemissionen durch wohlhabende Babyboomer wirksam begrenzen.
Forschender
Prof. Dr. Andreas Humpe ist seit 2017 Professor an der Fakultät für Tourismus in den Lehrgebieten Wirtschaftsmathematik und Finanzierung. Darüber hinaus ist er stellvertretender Institutsleiter des Forschungsinstituts der HM, dem Institut für Anwendungen des maschinellen Lernens und intelligenter Systeme (IAMLIS), sowie stellvertretender Leiter des Promotionszentrums CARRI – Center for Applied Research for Responsible Innovation. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Klimawandel und Klimawandelanpassung, Maschinelles Lernen, Ökonometrie sowie in szenariobasierten Simulationen zukünftiger Entwicklungen.
Gerne vermitteln wir einen Interviewtermin mit Prof. Dr. Andreas Humpe.
Kontakt: Lisa Miethke unter T 089 1265-1929 oder per Mail.
Publikation
Humpe, A., Gössling, S., Bernard, S., & Sonntag, U. (2025). Boomer tourism and climate change: an emerging conflict? Current Issues in Tourism, 1–19. doi.org/10.1080/13683500.2025.2560677
Hochschule München Die Hochschule München ist mit über 500 Professorinnen und Professoren, 820 Lehrbeauftragten und über 18.500 Studierenden eine der größten Hochschulen für angewandte Wissenschaften Deutschlands. In den Bereichen Technik, Wirtschaft, Soziales und Design bietet sie rund 100 Bachelor- und Masterstudiengänge an. Exzellent vernetzt am Wirtschaftsstandort München, arbeitet sie eng mit Unternehmen und Institutionen zusammen und engagiert sich in praxisnaher Lehre und anwendungsorientierter Forschung. Die HM belegt im Gründungsradar des Stifterverbands deutschlandweit erneut den ersten Platz unter den großen Hochschulen und Universitäten. Neben Fachkompetenzen vermittelt sie ihren Studierenden unternehmerisches und nachhaltiges Denken und Handeln. Ausgebildet im interdisziplinären Arbeiten und interkulturellen Denken gestalten ihre Absolventinnen und Absolventen eine digital und international vernetzte Arbeitswelt mit. In Rankings zählen sie bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu den Gefragtesten in ganz Deutschland. hm.edu