Forschungsgruppe entwickelt vier Energieszenarien für Europas Klimaziele
Forschungsgruppe entwickelt vier Energieszenarien für Europas Klimaziele
Wie könnte Europas Energiesystem bis 2060 klimaneutral, resilient und gerecht werden? Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung von Dr. Franziska Hoffart von der Universität Kassel hat vier Szenarien entwickelt, die unterschiedliche Wege zur Klimaneutralität aufzeigen – von einem weitgehend energieautarken Kontinent bis zu Zukunftsbildern, die von internationalen Spannungen geprägt sind. Die Ergebnisse zeigen, dass finanzielle Anreize, koordinierte nationale Energiepolitiken, verbindliche Zwischenziele und die Förderung lokaler Energieinitiativen entscheidend sind, um die Klima- und Energieziele zu erreichen. Zugleich machen die Szenarien sichtbar, wie geopolitische, technologische und soziale Entwicklungen die Energieversorgung Europas beeinflussen.
„Europa erwärmt sich schneller als jeder andere Kontinent, rund ein Grad stärker als der globale Durchschnitt. Um das Ziel einer Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, braucht die Europäische Union klare Orientierungspunkte und Ambitionen für die Umsetzung der Energiewende“, erklärt Hoffart, Vertretungsprofessorin für Transformational Economics am Kassel Institute for Sustainability und Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel. Die vier Szenarien – EU Trinity, NECP Essentials, REPowerEU++ und Go RES – sollen dafür Orientierung liefern.
Zugleich adressiert die Arbeit einen häufigen Kritikpunkt an Energieszenarien: „Szenarien werden oftmals dafür kritisiert, soziale und nicht-technische Faktoren nicht ausreichend zu berücksichtigen. Doch gerade das ist entscheidend, denn die Energiewende ist kein rein technisches Projekt, sondern in Gesellschaft und Politik eingebettet. Daher berücksichtigen wir diese Faktoren in Form von qualitativen Narrativen und übersetzen sie anschließend in konkrete Zahlen“, so Hoffart.
Auf Basis der vier Szenarien leiten die Forschenden konkrete Handlungsempfehlungen ab: Ein zentraler Hebel sei die Schaffung wirksamer finanzieller Anreize, etwa durch grüne Anleihen, um Innovationen zu beschleunigen. Harmonisierte nationale Energiepolitiken könnten die Integration europäischer Energiemärkte und die gemeinsame Infrastrukturplanung stärken. Ebenso wichtig seien verbindliche Zwischenziele über die bestehenden nationalen Energie- und Klimapläne hinaus, um Fortschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität messbar zu machen. Gleichzeitig werde die Förderung dezentraler Energieversorgung und lokaler Initiativen als entscheidend für eine sozial gerechte und regional verankerte Energiewende angesehen.
Die Szenarien wurden mithilfe der Qualitative-to-Quantitative (Q2Q) Matrix entwickelt, die qualitative Zukunftsnarrative in quantitative Berechnungen übersetzt. So lassen sich Annahmen zu Politik, Technologie, Infrastruktur und Energieverbrauch klar vergleichen und nachvollziehen. Zusätzlich wurden zwei Szenarien, REPowerEU++ und Go RES, mit dem Energiesystemmodell GENeSYS-MOD modelliert, das Strom, Gebäude, Verkehr und Industrie abbildet.
Die entwickelten Szenarien stehen offen zur Verfügung und sollen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ein praxisnahes Instrument bieten, um künftige Unsicherheiten und Herausforderungen besser zu verstehen und zu bewältigen. „Sich unterschiedliche Zukünfte vorstellen zu können ist eine wichtige Fähigkeit – nicht nur für Forschung und Politikberatung, sondern auch für unsere Studierenden“, ergänzt Hoffart. „Das macht die Zukunft greifbarer und hilft, aktiv Wege dorthin zu gestalten.“
Hoffart lehrt an der Universität Kassel mit einem transformativen Lehrkonzept, das den Erwerb sogenannter Future Skills in den Mittelpunkt stellt und Studierende dazu befähigt, eine nachhaltige Zukunft aktiv mitzugestalten. Zudem ist sie Senior Researcher im DFG-Projekt NFDI4Energy am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen.
Der Artikel wurde im Fachjournal Renewable and Sustainable Energy Reviews veröffentlicht: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1364032125007476?via%3Dihub.
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