Pressemitteilung

Schwäbische Zeitung: Der Gelehrte überrascht - Leitartikel

2013-02-11T22:51:36

Leutkirch (ots) -

Der betende Gelehrte wird bleiben. Die Leidenschaft für die Theologie prägt das Leben von Benedikt XVI.. Vor seiner Papstwahl im Jahr 2005 hatte Joseph Ratzinger seinen Ruhestand mit der Fortführung seiner wissenschaftlichen Arbeit geplant. Ihm ist jetzt zu wünschen, dass er dieser Passion ohne die immense Last des Papst-Amtes wieder nachkommen kann.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Johannes Paul II. hat Benedikt nie wirklich glücklich an der Spitze der Kirche gewirkt. Johannes Paul "lebte" den Papst, Benedikt umgab stets die Aura des kühlen Intellektuellen. Ratzinger gilt zwar als einer der angesehensten Theologen des 20. Jahrhunderts. Nach acht Jahren im Papstamt wird er aber zunehmend kritisch wahrgenommen. Das liegt vor allem daran, dass er aufgrund seiner tiefsten theologischen Überzeugungen bei den Fragen, die besonders in Europa drängen, wie etwa Zölibat oder Priestertum der Frau, den hohen Erwartungen nicht gerecht werden konnte. Wer geglaubt hatte, dass Ratzinger hier etwas ändern würde, hatte sich selbst etwas vorgemacht. Mit dem Rücktritt wird das theologische Lebenswerk Ratzingers wieder in den Vordergrund rücken.

Es ist nicht übertrieben zu formulieren, dass der Papst von wiederholten Intrigen und Machtspielen im Vatikan zunehmend zermürbt wirkte. Der weltweite Missbrauchsskandal tat sein übriges. Wie die katholische Kirche mit den ungeheuerlichen Verbrechen umgeht, ist bis heute nicht überzeugend. Benedikt hatte mit vielen Baustellen zu tun, die die Glaubwürdigkeit der Kirche in Frage stellen. Dabei agierte er teilweise auch unglücklich. Welche Kraft diesen Mann mit seiner von Vertrauten beschriebenen "unfassbaren Bescheidenheit" aber auszeichnet, macht gerade sein Rücktritt deutlich. Die Kardinäle haben jetzt die Freiheit, einen Papst zu wählen, der sich in Zukunft zurückziehen kann, wenn er sich den Aufgaben des Amtes nicht mehr gewachsen sieht.

Benedikt hat damit im Papstamt ein Zeichen für selbst bestimmte Souveränität gesetzt. Auch das ist letztendlich überraschend.

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