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FZ: Leitartikel der "Fuldaer Zeitung" (Montagausgabe) zu Griechenland

Fulda (ots)

Wenn der Blinde dem Lahmen über die Straße hilft, dann können beide überfahren werden. So ähnlich ist das mit dem Hilfsprogramm der Europäischen Union für Griechenland, das zumindest bis Ende 2012 für Ruhe an der Finanzfront sorgen soll. Da kratzen selbst hochverschuldete Länder wie Spanien, Portugal und Italien ihre letzten Euro zusammen, um einem Land zu helfen, das Statistiken gefälscht hat, um an die EU-Milchtöpfe zu kommen, einem Staat, in dem die Korruption die Reichen noch reicher gemacht hat und einer Regierung, die mit übler Bürokratie die eigene Wirtschaft behindert. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel das Sparprogramm, das IWF und EU den Griechen verordnet haben, als "anspruchsvoll und nachhaltig" bezeichnet, ist das genauso schizophren wie wenn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Daumenschrauben als "starkes Programm" bezeichnet, dem man "Respekt" zollen müsse. Formulierungen, die die Realität ausblenden, ebenso wie die Behauptung des Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder, man gebe den Griechen "kein Steuergeld, sondern nur ein Darlehen". Das Programm mit einer Anhebung der Mehrwertsteuer auf 23 Prozent und der Beschneidung beinahe aller Einkommen und Gehälter kann die ohnehin schwache Konjunktur Griechenlands gänzlich abwürgen. Es ist also nicht anspruchsvoll, sondern riskant. Respekt muss man dafür weder den Griechen, noch den scheinbar rigorosen Unterstützern zollen: Die Konsequenzen auf die griechische Staatspleite sind von purer Not diktiert, und niemand weiß, ob sich das alles überhaupt verwirklichen lässt. Die griechischen Gewerkschaften haben schon zu einem Generalstreik aufgerufen, der jeden Tag Millionen kosten wird. Schließlich muss man die deutschen Bürger nicht für dumm verkaufen: Die aus Steuergeldern finanzierten "Kredite" können mit hoher Wahrscheinlichkeit nie zurückgezahlt werden. Es sind verlorene Zuschüsse. Anspruchsvoll wäre ein Programm gewesen, das die 15 Verwaltungsakte begrenzt hätte, die über sich ergehen lassen muss, wer ein Unternehmen in Hellas gründen will. Respekt müsste man einer Erleichterung der Exportformalitäten zollen, die in Griechenland durch schikanöse Gesetze drei Mal so lange dauern wie in den meisten anderen europäischen Ländern. Kurz, eine Strukturverbesserung hätte der Konjunktur gewiss mehr geholfen als die phantasielose Kürzungs- und Streichungsorgie. Dennoch kann man davon ausgehen, dass sich die Finanzmärkte zunächst einmal beruhigen und der Euro stabil bleibt. Wie lange, das steht allerdings in den gelben Sternen auf blauem Grund, die die Fahne der EU schmücken, denn niemand weiß, ob und wann die europäischen Patienten Spanien, Portugal und Italien als Bittsteller vor der Tür stehen. Und das kann durchaus vor 2012 geschehen. Hinterher ist man immer schlauer, aber jetzt müssen sich die Deutschen vom tschechischen Präsidenten Václav Klaus sagen lassen, dass der von ihnen vorangetriebene Weg in eine Europäische Union falsch war. Klaus hält sowohl die Währungsunion als auch den Wahn der Vereinheitlichung und der Übernahme von immer mehr Zuständigkeiten durch die EU für falsch. Tatsächlich wäre Griechenland durch die Abwertung einer eigenen Währung flexibler und die Länder des Währungsverbundes stabiler geblieben. Aber Deutschland hat für die EU einst D-Mark und Unabhängigkeit aufgegeben in der irrigen Annahme, alle anderen Staaten würden ihre Identität ebenfalls im Vereinigten Europa finden und die dazu notwendigen Regeln einhalten. Dafür haben die Deutschen kräftig gezahlt, vielleicht auch um ihre Vergangenheitsneurose zu bewältigen. Tatsächlich aber ging es den meisten anderen Ländern nur um wirtschaftliche Vorteile, nie aber um die politische Union. Der Glaube der Deutschen an Europa wurde jetzt erschüttert und sie mussten erkennen, dass, wenn ihr Geld nicht sofort fließt, alte Ressentiments hochgespült werden. Aber nicht die Deutschen wenden sich von Europa ab, sondern die Verbündeten zeigen, dass sie vor allem in der Not auf die "Vereinigten Staaten von Europa" setzen. Und die Deutschen tragen brav weiter Euros nach Athen.

Pressekontakt:

Fuldaer Zeitung
Volker Feuerstein
Telefon: 0661 280-301
volker.feuerstein@fuldaerzeitung.de

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