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Streit über unterschiedliche Umsetzung des Betreuungsgeldes in den Ländern
"Report Mainz", heute, 12. August 2014, um 21.45 Uhr im Ersten

Mainz (ots)

Ein Jahr nach Einführung des Betreuungsgeldes ist ein Streit über die unterschiedliche Umsetzung der umstrittenen familienpolitischen Leistung in den einzelnen Bundesländern entbrannt. Darüber berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" heute Abend, 12.8.2014, um 21.45 Uhr im Ersten. Demnach ist der Umgang mit dem Betreuungsgeld von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich: Während Familien, die Betreuungsgeld beantragen können, etwa in Bayern automatisch frühzeitig benachrichtigt werden und einen bereits teilweise ausgefüllten Antrag zugeschickt bekommen, müssen sich Eltern in anderen Ländern selbst darum kümmern und haben zudem teils umfangreichere Nachweispflichten. In Mecklenburg-Vorpommern wurde zeitgleich zum Betreuungsgeld ein gleich hoher Kita-Zuschuss eingeführt. Damit belohnt das Land also genau das Gegenteil von dem, was der Bund mit der familienpolitischen Leistung belohnt. In NRW hat der Leiter des Jobcenters Gelsenkirchen seine Jobvermittler sogar schriftlich angewiesen, die Arbeitsuchenden nicht auf die Möglichkeit des Betreuungsgeldes hinzuweisen, sondern vielmehr auf eine Kinderbetreuung in einer Kita hinzuwirken.

Die rheinland-pfälzische Familienministerin Irene Alt (Grüne) kritisierte das vereinfachte Beantragungsverfahren in Bayern: "Ich finde es eine Bevormundung der Familien, weil es die Familien beeinflusst, wenn ein vorausgefüllter Antrag ins Haus geflattert kommt." Das Betreuungsgeld werde in Rheinland-Pfalz zwar umgesetzt. Aber: "Dass wir darüber hinaus dann nochmal gesondert Werbung machen, gegen unsere eigene Überzeugung, das tun wir nicht. Deswegen sagen wir den Eltern und den Familien: Gebt eure Kinder in die Krippen, in die Kindertagesstätte, in die Horte und in die Ganztagsschulen. Denn dort sind sie sehr gut aufgehoben", betonte Alt. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag Katja Dörner erklärte: "Was in Bayern passiert, das halte ich für eine nicht angemessene Beeinflussung von Eltern, und ich denke, dass es auch damit zu tun hat, dass der Freistaat Bayern sich vom Kita-Ausbau, der da sehr dringend notwendig ist, etwas freikaufen möchte."

Die bayerische Familienministerin Emilia Müller (CSU) wies die Kritik zurück: "Die Information, die wir bieten, ist in der Tat umfangreich. Aber wir beeinflussen nicht, sondern jeder hat die Wahlfreiheit und jeder entscheidet selber." Sie forderte die anderen Bundesländer auf, sich beim Beantragungsverfahren für das Betreuungsgeld ein Beispiel an Bayern zu nehmen: "Bundesweit sind mittlerweile 300.000 Anträge auf Betreuungsgeld gestellt worden, das zeigt auch, dass es angenommen wird von den Eltern. Und ich würde mir wünschen, dass in anderen Bundesländern das Verfahren ähnlich wäre wie in Bayern", sagte Familienministerin Müller im Interview mit "Report Mainz". Laut einer Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes kommen die meisten Empfänger von Betreuungsgeld aus Bayern. "Nach einem Jahr kann ich sagen: Das Betreuungsgeld in Bayern ist eine Erfolgsgeschichte, und die Zahlen sprechen für sich: Drei Viertel der bayerischen Eltern beantragen das Betreuungsgeld", sagte Müller.

Der Sozialwissenschaftler Prof. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz hält die unterschiedliche Umsetzung des Betreuungsgeldes in den Ländern für problematisch: "Was wir jetzt im Umgang der Bundesländer sehen, ist, dass der alte ideologische Kampf - ich bin dafür oder dagegen -, der wird jetzt in der Rechtsanwendung fortgeführt, und das ist sehr fragwürdig. Die einen schmeißen den Eltern das Betreuungsgeld hinterher, die anderen legen ihnen viele Hürden in den Weg. Und das ist für die Eltern natürlich eine Belastung, weil sie diesem System ausgeliefert sind. Auf ihrem Rücken wird sozusagen die Auseinandersetzung für oder gegen das Betreuungsgeld ausgetragen, und das ist eine Anwendung von Recht, die nicht in Ordnung ist." Bayern versuche durch ein vereinfachtes Beantragungsverfahren die Zahlen in die Höhe zu treiben, um das Betreuungsgeld zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Andere Länder, die das Betreuungsgeld aufgrund der politischen Couleur kritisch sähen, versuchten hingegen, das Betreuungsgeld auszubremsen. Der Sozialwissenschaftler, der als erklärter Gegner des Betreuungsgeldes gilt, erklärte im Interview mit "Report Mainz", dies sei keine zulässige Anwendung einer bundesweiten familienpolitischen Leistung: "Wenn ich bestehendes Recht habe, dann ist der Staat nicht nur gehalten, sondern verpflichtet, auf eine einheitliche Anwendung dieses Rechts zu bestehen und dafür zu sorgen", sagte Prof. Sell.

Weitere Informationen unter www.reportmainz.de. Zitate gegen Quellenangabe "Report Mainz" frei.

Pressekontakt: "Report Mainz", Tel. 06131/929-33351, oder Autor Achim Reinhardt, Tel. 0172/6268010.

Original-Content von: SWR - Das Erste, übermittelt durch news aktuell

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