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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Griechenland

Bielefeld (ots)

Gebetsmühlenartig haben Politiker aller EU-Länder den einen Satz wiederholt, wenn es um Griechenland ging: »Wir warten jetzt erst einmal den Troika-Bericht ab.« Inzwischen liegt er vor. Was genau dort drinsteht, bleibt weiter unklar. Die Wahrheit passt offenbar einfach nicht ins politische Konzept. Schließlich ist es kaum vorstellbar, dass Athen mehr als 200 Sparvorgaben plötzlich umgesetzt hat. Im vorläufigen Troika-Bericht im Juli stand noch: Griechenland hat 210 von 300 Vorgaben nicht erfüllt. Reichlich zahlenlastig fiel gestern auch die Präsentation der EU-Ergebnisse aus: Kredit-Laufzeiten um 15 Jahre verlängert, Zinssatz für Kredite von Euro-Staaten um 100 Basispunkte und Bürgschaftsgebühr des EFSF um zehn Basispunkte gesenkt. Die entscheidende Frage wollte zunächst niemand beantworten. Was heißt das für den künftigen Etat einzelner Staaten? Später gestand Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): Mindestens 130 Millionen Euro nimmt der Bund pro Jahr weniger ein durch die Zinssenkungen. Für den Steuerzahler von morgen gilt also: Die griechischen Kredite sind ebenso wenig nur geliehen wie die Rente sicher ist. Das Wort Schuldenerlass hört Minister Schäuble jedoch gar nicht gerne. Dabei ist der Schuldenerlass längst Realität. Verlängerte Kreditlaufzeiten, Verzicht auf Gewinne eigener Zentralbanken, gesenkte Zinssätze: Verluste in Milliardenhöhe sind das Ergebnis. Schäuble kann noch so oft sagen: »Mehr Zeit, aber kein Schuldenerlass«. Das ist kein Widerspruch mehr. Den verhinderten Schuldenschnitt zu bejubeln - wie es einige EU-Parlamentarier tun -, ist Augenwischerei. Verschoben muss es heißen, nicht verhindert. Die aktuellen Beschlüsse sind eine Notlösung, keine dauerhafte. Es wurde Zeit erkauft; nicht zuletzt um eine Bankrotterklärung vor der Bundestagswahl auszuschließen. Auch wenn Griechenland nun wieder Geld erhält, fließt dies nicht in die Infrastruktur zur konjunkturellen Stärkung, sondern an die Banken. Ganz abgesehen von der Frage, ob Athen mit seiner weiterhin desolaten Basis - vom Sozialsystem über Lobbyismus bis zur Verwaltung - überhaupt irgendwann zurückzahlen wird. Darauf beruht aber die Annahme aller EU-Rechenmodelle. Es könnte letztlich eine irrige sein. Doch was wäre die Alternative zu den Beschlüssen gewesen? Ein Rausschmiss Griechenlands aus der EU wird längst nicht mehr ernsthaft diskutiert. Den Griechen keine Tranche auszuzahlen, wäre deren Bankrott. Wenn man so weit in die Einbahnstraße Richtung Athen gefahren ist, bleibt eben nur noch Retten ohne Ende. Das ist den Beteiligten in Brüssel der Euro schließlich wert. Anders ausgedrückt: Europa springt bei, wenn Auflagen erfüllt werden. Wenn nicht, allerdings auch. Statt ständiger Schönrederei sollten sich die EU-Länder eingestehen, dass sie gar nicht mehr umkehren können. Dann müssten sie jedoch zugeben, dass auch dieser Weg am Ende teuer wird.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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