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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Türkei

Bielefeld (ots)

Der Wahlsieg der regierenden AKP hat einen
einfachen Grund: Den Türken geht es gut. Das Land erlebt einen 
Aufschwung wie nie seit Gründung der Republik. Die Wirtschaft wächst,
die türkische Lira ist stark wie nie zuvor, die öffentlichen Finanzen
nahezu konsolidiert, der persönliche Wohlstand weitet sich aus. Never
change a winning horse, sagen die Briten, warum sollten die Türken 
anders denken?
Das umso mehr, als die anderen Parteien das Land an den Rand des 
Bankrotts geführt hatten - bis der Internationale Währungsfonds vor 
sechs Jahren die Notbremse zog und mit einer Rosskur  den kranken 
Mann am Bosporus vor der Misere rettete. Sicher, man kann über das 
Verdienst am Aufschwung streiten, aber Erdogan und seine Mannschaft 
haben ihn zumindest nicht verhindert.
Erdogan mag als orthodoxer Muslim ein ambivalentes Verhältnis zur 
Demokratie und ihren Wertemaßstäben (Gleichstellung der Frau, 
Religionsfreiheit, Trennung von Staat und Religion) haben, als 
Wahlkämpfer ist er nicht zu schlagen. Indem er Sozialdemokraten und 
Liberale in seine Kernmannschaft berief - und damit seinem 
französischen EU-Widersacher Sarkozy nacheiferte -, zerstreute er 
Zweifel.
Die Wähler sahen darin eine Garantie für die Fortsetzung des 
liberalen Wirtschaftskurses. Die aufstrebende Mittelschicht, vielfach
junge Unternehmer, hat nur noch eine nebelhaft verschwommene 
Erinnerung an die alte politische Klasse, zu der die Korruption 
gehörte wie ein maßgeschneiderter Anzug.
 Auch Erdogan hat manches in die eigene Tasche oder in die seiner 
politischen Freunde fließen lassen. Aber es blieb noch genug für das 
Volk.
Kritisch wird es jetzt, wenn die Präsidentenfrage erneut auf den 
Tisch des Parlaments gelegt wird. Gestärkt durch das Votum des Volkes
wird Erdogan es natürlich probieren. Die Generäle, die Gralshüter des
Kemalismus, sind jetzt in einer heiklen Lage, um nicht zu sagen: in 
einem Dilemma.
 Wenn sie den Kandidaten Erdogans nicht verhindern, werden sie 
entmachtet. Verhindern sie ihn, riskieren sie den Aufstand der 
Straße. In solch einer Situation greifen Militärs gern zu einem 
probaten Mittel: zu militärischen Aktionen, in diesem Fall gegen die 
Kurden, möglicherweise bis in den Irak. Das würde eine neue Lage 
schaffen, in der auch Erdogan erstmal stillhalten und sich mit den 
Generälen solidarisch zeigen müsste. Sonst riskiert er, die Gunst der
national denkenden Bevölkerung zu verlieren.
Die Religionsfreiheit ist, um ein geflügeltes Wort zu gebrauchen, die
Mutter aller Freiheiten. Ohne sie gibt es keine Toleranz und keine 
Herrschaft des Rechts. Ohne sie gibt es auch keine Freiheit von 
Ideologien wie dem Nationalismus. Die wirkliche Machtprobe steht der 
Türkei noch bevor. Und zu behaupten, die Türkei habe sich mit dieser 
Wahl europatauglich gezeigt, ist doch sehr verfrüht. Denn: Demokratie
ist nur eine Form, entscheidend ist der Primat des Rechts und der 
Freiheit.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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