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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Deutsch-türkisches Verhältnis zerrüttet Trauerspiel Dirk Müller

Bielefeld (ots)

Vieles, was gesagt wird in diesen Tagen, wenn Deutsche und Türken mit- oder besser übereinander reden, ist nur schwer zu ertragen. Entsetzlich zu beobachten, wie ein einst freundschaftliches Verhältnis sich ins Gegenteil verkehrt. Und es war freundschaftlich. Noch vor wenigen Jahren konnte man in der Türkei eine fröhliche Vielfalt von Möglichkeiten erleben, ein tolerantes Miteinander von Lebensstilen, Weltanschauungen, Religionen, in Istanbul zumal, aber auch in Ankara. Selbst im Südosten des Landes, der vom Kurdenkonflikt geprägten Krisenregion, war so etwas wie Annäherung spürbar, Aussicht auf mehr Autonomie, auf gegenseitiges Verständnis. Es herrschte Begeisterung für Europa, die EU-Mitgliedschaft wurde vielfach herbeigesehnt. Recep Tayyip Erdogan, damals in seiner ersten Amtszeit als Regierungschef, galt als sozialer Modernisierer und erfolgreicher Wirtschaftslenker, strenggläubig zwar, aber voller Achtung für Kemal Atatürks Vermächtnis einer modernen Türkei: der strikten Trennung von Staat und Religion. Nur wenige Skeptiker hielten das damals schon für strategische Zurückhaltung, für die geschickte Tarnung eines islamisch-fundamentalistischen Machtpolitikers. Die Türkei hat sich verändert seitdem; wie sehr, kann man nicht nur daran erkennen, dass kürzlich Soldatinnen der türkischen Armee das Kopftuch zur Uniform erlaubt wurde. All das sind Bestandteile der türkischen Innenpolitik, die auch angesichts der breiten Zustimmung für Erdogan dem bewährten Grundsatz unserer Nichteinmischung unterliegen könnten. Nun aber betreffen diese Entwicklungen Deutschland immer heftiger. Die Missachtung von Grundrechten, die Einschränkung der Pressefreiheit trifft auch deutsche Journalisten. Die Polarisierung erfasst auch hier lebende Türken. Mit der Reaktion türkischer Regierungsmitglieder auf Absagen von Wahlkampfauftritten, dem Vorwurf "faschistischen Vorgehens" an die deutsche Adresse und der Aufforderung, "Benehmen zu lernen", erreicht das Trauerspiel seinen vorläufigen Tiefpunkt. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht ein Ende für "die Zeit der leisen Töne" gekommen und droht, so werde die Annäherung der Türkei an die Europäische Union weiter erschwert. Das allerdings ist nun eine annähernd ebenso irrwitzige Einlassung. Eine wirkliche Annäherung an die EU ist der Türkei jahrzehntelang auch von europäischer Seite verweigert worden. Die Enttäuschung darüber, am ausgestreckten Arm Europas auf Abstand gehalten zu werden, hat eine ganze Generation von Türken geprägt. Das entschuldigt nichts, aber erklärt vieles.

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