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Landeszeitung Lüneburg: ,,Die Linkspartei ist sozial populistisch, aber ökonomisch völlig ignorant" -- Interview mit dem SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering

Lüneburg (ots)

nt/wko Lüneburg. Die SPD in Thüringen und im
Saarland hat freie Hand bei Koalitionsverhandlungen. Im Bund, betont 
SPD-Chef Franz Müntefering, bleibt es aber dabei: Kein Bündnis mit 
der Linkspartei.
Ist mit Dieter Althaus' Rücktritt der Weg für eine große Koalition
in Thüringen geebnet?
Franz Müntefering: Das entscheiden die Sozialdemokraten vor Ort. Sie 
werden die Gespräche über eine Koalition mit Linke und CDU jetzt 
führen. Ergebnis offen. Der Rücktritt von Herrn Althaus war 
konsequent und nötig und ein Lehrstück für die Bundestagswahl: Er 
zeigt, dass niemand wieder gewählt wird, nur weil er schon auf dem 
Sessel sitzt. Frau Merkel wird nachdenklich sein.
Was wäre Ihnen in Thüringen lieber: Schwarz-Rot, Rot-Rot oder 
Rot-Rot-Grün?
Müntefering: Nicht ich führe die Gespräche, sondern die 
Sozialdemokraten vor Ort. Sie entscheiden, wer am besten 
zusammenpasst.
Das heißt, auch Heiko Maas hat trotz Ihrer ,,Freundschaft" zu 
Oskar Lafontaine freie Hand im Saarland?
Müntefering: Ja, sicher. Sie haben kürzlich betont, dass sie nichts 
von einer Neuauflage der Großen Koalition in Berlin halten. Wer 
bleibt dann noch als realistischer Partner? Müntefering: Wir wollen 
die entscheidende politische Kraft sein und mit den Grünen koalieren.
Wenn das nicht geht, versuchen wir es mit einer Ampelkoalition. Die 
Voraussetzung wäre, dass es für Schwarz-Gelb nicht reicht. Und ich 
prognostiziere: Das wird so sein.
Damals gab es mit der Ost-Politik die größte Abgrenzung zur Union.
Wo sehen Sie heute die Abgrenzungen?
Müntefering: Ein zentraler Punkt ist die Rolle des Sozialstaates. Im 
Gegensatz zu Schwarz-Gelb wollen wir keine Reduzierung der großen 
Sozialsysteme, keine Einschränkung der Arbeitnehmerrechte, keine 
Fortführung der Atomenergie. Wir lehnen eine Steuersenkung für Reiche
ab, da dies die Handlungsfähigkeit des Sozialstaates erheblich 
gefährden würde. Das heißt nicht, dass ich damit pauschale Kritik an 
der Großen Koalition üben. Sie ist zwar hinter ihren Möglichkeiten 
geblieben, hat aber alles in allem viel gute sozialdemokratische 
Politik gemacht und war in der Wirtschaftskrise ganz nützlich. 
Dennoch wäre es gut für das Land und für die Demokratie, wenn es 
keine Verlängerung gäbe.
Hat die Linkspartei die SPD bei der Sozialkompetenz links 
überholt?
Müntefering: Nein. Bei der Sozialpolitik kommt es darauf an, die 
ökonomischen Voraussetzungen für hohe Sozialstandards zu schaffen. 
Die Linkspartei ist sozial populistisch, aber ökonomisch völlig 
ignorant und macht sich keine Gedanken darüber, woher das Geld kommen
soll für ihre Versprechungen. Auch deshalb kommt für uns eine 
Zusammenarbeit auf Bundesebene nicht in Frage.
Wird es angesichts der Aufsplitterung des Parteienensys"tems 
schwieriger, einen Wählerauftrag aus einer Wahl abzuleiten?
Müntefering: Die Parteienlandschaft ist vielfältiger geworden. Das 
hat demokratischen Charme, ist aber auch eine besondere 
Herausforderung an die Demokratie. Niemand weiß vor einer Wahl, wie 
nach der Wahl die Mehrheitsverhältnisse sein werden, welche 
Koalitionen möglich werden, welche Konsequenzen das politisch genau 
haben wird. Niemand kann mehr sagen, dass das, was man vor der Wahl 
anstrebt, tatsächlich komplett realisiert werden kann, da es auf 
jeden Fall eine Koalition, und entsprechend Kompromisse geben wird. 
Die SPD wirbt für ihre Ziele. Je stärker wir sind, um so mehr davon 
können wir dann umsetzen. Wichtig ist, dass -- mit Ausnahme der 
Linken im Bund -- im Prinzip jeder mit jedem koalieren können muss. 
Jede Festlegung vor einer Wahl nach dem Motto ,,Mit dem rede ich auf 
keinen Fall" macht zwischen demokratischen Parteien wenig Sinn.
Das Interview führte
Werner Kolbe

Pressekontakt:

Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de

Original-Content von: Landeszeitung Lüneburg, übermittelt durch news aktuell

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