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Mittelbayerische Zeitung: Türöffner nach Russland
Kommentar zu "Steinmeier-Besuch in Russland"

Regensburg (ots)

Gegen den Film "Matilda", der eine voreheliche Liebesbeziehung des letzten russischen Zaren Nikolaus II. mit einer Tänzerin pompös inszeniert, laufen othodoxe Christen in Russland Sturm. Das Ansehen des von der orthodoxen Kirche heiliggesprochenen Herrschers dürfe nicht besudelt werden. Erst recht nicht dadurch, dass ein Deutscher den einstigen Zaren darstellt, der 1918 von den Bolschewiken samt seiner Familie erschossen worden war. Die orthodoxe Kirche spielt im Russland Putins wieder eine mächtige Rolle. Der Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erfolgte vor einem in vielerlei Hinsicht spannungsgeladenen Hintergrund. Er sprach lange mit Wladimir Putin. Im Beisein des Bundespräsidenten wurde auch die Kathedrale St. Peter und Paul an die evangelisch-lutherische Kirche zurückgegeben, die einst unter dem Diktator Stalin enteignet worden war. Orthodoxe und Lutheraner, Russen und Deutsche waren sich in der wechselvollen Geschichte, die sie seit Jahrhunderten verbindet, oft nah und fern. Steinmeier hat es verstanden, mit einfühlsamen Worten die russische Seele zu streicheln. Im Jahr der Reformation hat er in Moskau an Luthers Entdeckung der Würde des Individuums vor Gott erinnert, aber auch an die Millionen Opfer, die im vergangenen Jahrhundert zwei furchtbare, von Deutschland angezettelte Kriege gefordert haben. Die Unterschiede zwischen Russen und Deutschen sollten den Gemeinsamkeiten nicht im Wege stehen, war Steinmeiers Botschaft. Er ist, anders als sein Vorgänger im Präsidentenamt Joachim Gauck, richtigerweise nach Moskau gereist. Auch um das verkrampfte, von vielen Konflikten - etwa um die Krim und die Ostukraine - überschattete Verhältnis zwischen Russland und Deutschland wenigstens etwas zu entspannen. Steinmeier bleibt auch im Präsidentenamt ein Diplomat. Gut so. Die russisch-deutschen Beziehungen sind seit der Krim-Annexion durch Russland und der Unterstützung von ostukrainischen Separatisten durch Moskau gewissermaßen eingefroren. Berlin hält sich an die Sanktionen der westlichen Staaten gegen das unbotmäßige Land. Das wiederum verärgert die deutsche Wirtschaft, die viel lieber ohne solche Einschränkungen exportieren und investieren würde. Beschränkungen gibt es übrigens nicht nur von Seiten des Westens, sondern auch von Russland selbst, das als Gegenreaktion ein Einfuhrverbot etwa gegen bestimmte Agrarprodukte aus der EU verhängte sowie Investoren viele Steine in den Weg legt. So wie Steinmeier jetzt hatte zuvor der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer den Kremlchef besucht. Zuletzt im Frühjahr mit einer großen bayerischen Wirtschaftsdelegation sowie Landtagsabgeordneten im Gefolge. Der CSU-Chef versteht sich dabei vor allem als Türöffner für die heimische Wirtschaft ins russische Riesenreich, denn das braucht für die Modernisierung seiner Wirtschaft dringend ausländisches Kapital und Know-how. Putin, der seine Wiederwahl im nächsten Jahr anstrebt, lässt bereits Wirtschaftsreformen ausarbeiten, die schmerzlich sein werden. Doch dass Seehofer eine Art Neben-Außenpolitik betreibe, wie manche in CDU und Kanzleramt unterstellen, ist ebenso falsch, wie dies nun Steinmeier vorzuwerfen. Beiden geht es vielmehr darum, trotz der Eiszeit wegen Krim und Ostukraine, sich wieder anzunähern, wieder vernünftige politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen herzustellen. Es gibt gewaltige Unterschiede und politische Differenzen zwischen Russland einerseits sowie der EU mit Deutschland andererseits. Aber klar ist auch, dass Moskau, das heißt "Zar Putin", als Partner gebraucht wird.

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