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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur AfD

Regensburg (ots)

Sogar der Luftraum über dem Kölner Versammlungsort der Alternative für Deutschland wird gesperrt. Massive Gegendemonstrationen wurden für das Wochenende angekündigt, denen ein Großaufgebot von Sicherheitskräften gegenüberstehen wird. Doch das sind nur die äußeren - hoffentlich friedlichen - Begleitumstände eines Parteitages, der es in sich haben dürfte. Die einst als Protestpartei gegen die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung vom Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke gegründete Partei hat sich längst radikalisiert. Sie ist zur Speerspitze einer Anti-Bewegung geworden, die sich gegen das politische Establishment, gegen die Bundesregierung, gegen die im Bundestag vertretenen Parteien, gegen die herrschende Politik, gegen "die" Medien richtet. Dabei ist die Alternativ-Partei in sich zutiefst zerstritten, personell, inhaltlich und strategisch. Die AfD steht in Köln am Scheideweg: Entweder nationalkonservativ-völkische Fundamentalopposition oder bürgerlich-radikale Realpolitik. Die Ankündigung der Parteivorsitzenden Frauke Petry, das bekannteste Gesicht der AfD in der Öffentlichkeit und in den Talkshows, nicht als Spitzenkandidatin für den Bundestag antreten zu wollen, hat den ungelösten Konflikt nur noch befeuert. Die Frau aus Sachsen steht für die mildere, bürgerliche, realpolitische Variante der Alternativ-Partei. Sie möchte, wenn es irgendwo geht, die strategische Möglichkeit des Mitregierens offen halten. Deshalb verlangt sie den klaren Bruch mit Antisemitismus und Rassismus. Doch möglicherweise trifft Petry damit nicht mehr die Stimmung der Mehrheit ihrer sehr heterogenen Partei. Es könnte ihr so gehen, wie dem Zauberlehrling in Johann Wolfgang Goethes Ballade. Die rechtsextremen, nationalistischen Geister, die sie rief, wird sie nicht mehr los. Ausgerechnet die ehrgeizige Frauke Petry, die vor knapp zwei Jahren Parteigründer Lucke auf dem Parteitag in Essen eine bittere Niederlage bereitete und ihn vom Vorsitz verdrängte, könnte nun dessen Schicksal erleiden. Ausgerechnet die AfD, die sich als ernsthafter Gegenentwurf zu den etablierten Parteien präsentierte, wird von heftigen Grabenkämpfen, Intrigen und Diffamierungen geschüttelt. Das Lager der Nationalkonservativen, die auf totale Konfrontation setzen, scheint die Oberhand zu haben. Deren intellektuelles Aushängeschild Alexander Gauland - früheres CDU-Mitglied, Ex-Staatssekretär in Hessen und Zeitungs-Herausgeber in Brandenburg - will vor allem deshalb in den Bundestag, um sich an seiner einstigen Partei, der CDU und der Kanzlerin zu rächen. Über den höchst umstrittenen Rechtsausleger Björn Höcke - früherer Geschichtslehrer und heute Thüringer Landtagsmitglied mit dem Hang, den Holocaust zu relativieren - hält Gauland schützend seine väterliche Hand. Höcke macht die AfD für einstige Anhänger der rechtsextremen NPD attraktiv. Es könnte sein, dass die Alternativen deren Klientel aufsaugen. Allerdings wird die Protestpartei mit diesem Schwenk für unzufriedene bürgerliche Wähler immer weniger zu einer Alternative. Der Marsch nach ganz Rechts stößt viele ab. Die immer offener zu Tage tretende Zerrissenheit der AfD tut ein übriges, um sie zu entzaubern. Allerdings ist die Hoffnung, die AfD werde sich schon von selbst "erledigen", zu kurz gedacht. Die demokratischen Parteien müssen die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger endlich ernst nehmen. Oder, um es mit Martin Luther zu sagen, sie müssen dem Volk aufs Maul schauen - ohne ihm nach dem Mund zu reden.

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