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Mittelbayerische Zeitung: Ein deutsches Problem: Merkel hat zu Recht klar gemacht, dass Fremdenhass keine Frage von Osten oder Westen ist. Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Ein Westdeutscher klopft seinem ostdeutschen Bekannten glücklich auf die Schulter: "Wir sind ein Volk!" Darauf meint der Ossi: "Wir auch!" Dieser Witz aus den 90er Jahren kommt einem in den Sinn, wenn man die neue hitzige Debatte verfolgt, die nun darüber ausgebrochen ist, ob es in den neuen Ländern mehr Flüchtlingsfeindlichkeit und Fremdenhass gibt als in den alten. Es ist, als ob längst überwunden geglaubte Vorurteile 2015 plötzlich fröhlich Urständ feiern, als ob die Besserwessis und Jammerossis plötzlich wieder aus der Gruft gesprungen sind. Angela Merkel hat gestern mit bemerkenswerter und lange vermisster Deutlichkeit klar gemacht, dass Fremdenhass und Ressentiments gegenüber Flüchtlingen hierzulande leider in allen Himmelsrichtungen anzutreffen sind. Wenn einige Politiker Fremdenfeindlichkeit auf ein vor allem ostdeutsches Phänomen reduzieren wollen, verschließen sie die Augen vor der traurigen Realität und geben den Schwarzen Peter an "die da drüben" ab. Damit kann man trefflich von eigenen Versäumnissen ablenken. Merkel will dieses unwürdige Spielchen jedoch nicht mitmachen. Gut so. Leider wird die Würde von Menschen nicht nur im sächsischen Heidenau verletzt, es gab Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte nicht nur im sächsischen Freital, Brandanschläge nicht nur in Tröglitz in Sachsen-Anhalt oder im brandenburgischen Nauen sondern auch in Bayern oder Niedersachsen. Dumpfer, gewalttätiger Hass auf Flüchtlinge fragt nicht nach Ost und West. Er ist, gleich wo er sein Haupt erhebt, widerwärtig, menschenverachtend, kriminell. Freilich häufen sich die wütenden Proteste gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte jetzt gerade in den neuen Ländern. Die islamfeindliche Pegida-Bewegung hat in einigen Orten längst eine noch radikalere Fortsetzung gefunden. Vor allem dort, wo es bislang kaum Ausländer gibt, wo also das Zusammenleben kaum praktiziert werden konnte. Besonders groß ist die Ablehnung von Flüchtlingsheimen zudem in jenen Gegenden, in denen die rechtsextreme NPD besonders aktiv ist. Den braunen Rattenfängern mit den schlichten Lösungen und den markigen Sprüchen folgen leider auch viele Menschen, die sonst mit den Neonazis eigentlich nichts am Hut haben wollen. Doch wer einfach hinter rassistischen Parolen herläuft, macht sich mitschuldig. Die einpeitschenden Sätze, die von manchem Neonazi kommen, werden in der Nacht zu Brandsätzen auf Heime, in denen Menschen leben. Auf einem anderen Blatt stehen freilich berechtigte Fragen und Sorgen von Menschen, denen eine Flüchtlingsunterkunft per Verwaltungsentscheid quasi "vor die Nase" gesetzt wird. Der Staat vor Ort, "die" Politik haben auch Fehler gemacht, haben es mitunter versäumt, frühzeitig auf den dramatisch anschwellenden Strom von Flüchtlingen vorzubereiten. Wenn Menschen unzureichend oder gar nicht informiert werden, wenn Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen und nur noch verkündet werden, muss man sich über Widerstand nicht wundern. Doch selbst dies rechtfertigt keine Gewalt, keine Schmähungen und Beleidigungen, wie sie etwa Angela Merkel in Heidenau entgegen geschleudert wurden. Wenn wirklich 800 000 Flüchtlinge in diesem Jahr zu uns kommen sollten, dann bedeutet dies zugleich eine Herkulesaufgabe für die Verwaltungen. Es braucht flexiblere Lösungen bei der Unterkunft, mehr Geld, mehr Anstrengungen zur Integration für die, die bleiben dürfen. Aber auch mehr Konsequenz gegenüber jenen, die kein Anrecht auf Asyl haben. Vor allem bedarf es des Mitgefühls und der tätigen Hilfe der normalen Bürger.

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