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Mittelbayerische Zeitung: Wenig Kinder, langes Leben /Die Bevölkerung schrumpft. Das allein ist kein Schreckensszenario. Die Herausforderung ist das Altern. Leitartikel von Christine Straßer

Regensburg (ots)

Ein Schreckgespenst geht um. Seit Jahren findet es seine schemenhafte Gestalt in einer "Bevölkerungspyramide, die zu einer Urnenform degeneriert". Die Formulierung stammt von Hans-Werner Sinn, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), aber Sinn ist nur einer von vielen Untergangspropheten. Das Gespenst, das sie beschwören, heißt demografischer Wandel. Nun hat wieder eine neue Studie ergeben, dass bis 2030 die deutsche Bevölkerung um eine halbe Million schrumpfen wird. Gemalt werden einmal mehr Bilder von verödenden Landstrichen mit verfallenden Häusern, von leer durch eine Geisterlandschaft tingelnden Zügen und von verzweifelt nach Mitarbeitern suchenden Firmenchefs. Wer aber Bevölkerungsentwicklung nur so diskutiert, verkennt, dass es sich um einen permanenten Anpassungsprozess handelt, der letztlich begrüßenswert ist. Was nicht heißt, dass es keine Herausforderungen gibt. Meist überwiegen die Zeichner der Horrorszenarien. Ihre Kurzformel lautet: weniger Kinder, mehr Alte. Schon das ist falsch. Richtiger müsste es heißen: weniger Kinder, länger Leben. Und wenn man mal überlegt, ist das doch gar nicht so schlecht. Wer wünscht sich kein langes Leben? Und welche Eltern, die ein oder zwei Kinder haben, hätten heute viel lieber vier oder fünf? Sinkende Geburtenraten und steigende Lebenserwartung gelten vielmehr als Erfolgsmerkmale reicher und hoch entwickelter Gesellschaften. Die zurzeit bekannteste Prognose ist die 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes. Sie reicht bis zum Jahr 2060. Die Modellannahmen bewegen sich in Korridoren. Je nach Variante kommt man auf eine Bevölkerungsgröße, die im Jahr 2060 bei etwa 73,1 Millionen und in einem anderen Fall bei rund 67,6 Millionen liegt. Mit mehr als 80 Millionen Einwohnern liegt Deutschland heute auf einem historischen Höchststand. Fällt die Einwohnerzahl bis 2060 auf 70 Millionen, dann wären wir wieder genauso viele wie 1960. In Bezug auf die Bevölkerungsgröße wäre das quasi ein altbekannter Zustand. Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Das liegt daran, dass die Gesellschaft altert. Bislang gibt es mit so einer alten Bevölkerung wenig Erfahrungen. Mehr Alte heißt zwar nicht automatisch mehr Gebrechliche, denn wir bleiben immer länger gesund. Aber diese Zahl zeigt die Herausforderung: Im Jahr 2060 müssen 100 Personen im Erwerbsalter 65 Pensionäre unterstützen. Dass das nicht funktionieren kann, ist logisch. Aber es ist möglich, sich anzupassen. Wenn Menschen künftig länger leben und länger fit bleiben, werden sie auch länger arbeiten müssen - einige womöglich sogar wollen. Altersforscher nennen Dänemark als Vorbild. Dort treten auch die Jugendlichen deutlich früher in den Arbeitsprozess. Zudem gehen mehr Frauen einer Erwerbsarbeit nach. Dadurch verbessert sich das Verhältnis zu Ruheständlern und Jungen. Was die Studie der Bertelsmann Stiftung berechtigterweise aufgreift, sind die völlig unterschiedlichen Entwicklungen, die sich in einzelnen Regionen Deutschlands abspielen. Aber die Differenzen als Ost-West-Problem oder als Stadt-Land-Problem darzustellen, greift noch immer zu kurz. Auch im Westen existieren viele Schrumpfungsregionen. Und: Selbst innerhalb einer Stadt können die Entwicklungen von Stadtvierteln gegensätzlich sein. Es ist ein sehr bunter Flickenteppich, der sich über Deutschland legt. Die Gesellschaft des langen Lebens und der wenigen Kinder muss noch gestaltet werden. Es sind erst Anfänge gemacht. Andererseits ist die Ausgangslage gut. Deutschland gehört schließlich zu den reichsten und innovativsten Volkswirtschaften der Erde.

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