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Mittelbayerische Zeitung: Joe Kaeser braucht noch Zeit - Eine evolutionäre Entwicklung wäre viel besser als immer wieder mal ein Umbruch. Von Bernhard Fleischmann

Regensburg (ots)

Es ist Umbauzeit bei Siemens. Mal wieder. Es stellt sich die Frage: Wann wird bei Siemens eigentlich nicht gerade umgebaut? Das ist das eigentlich Bedenkliche. Um richtig verstanden zu werden: In einem Großkonzern mit mehr als 340 000 Mitarbeitern rund um den Globus gibt es jederzeit Handlungsbedarf. Geschäftsprozesse müssen überdacht, Strategien angepasst und die besten Produkte hergestellt werden. Idealerweise passiert das alles in einem evolutionären Fluss. Stete Anpassung ist normalerweise viel erfolgreicher als ein steter Wechsel zwischen Umbruch und Abwarten, ob dieser denn wirkt - und dann folgt wieder Umbruch, weil es eben meist nicht so recht passt. Die Nachteile eines solchen Führungsstakkatos liegen auf der Hand. Vieles wird mit viel Gewalt, dafür mit umso weniger Expertise begonnen. Die Mitarbeiter sind zutiefst verunsichert, fühlen sich wie handlungsunfähige Crewmitglieder auf einem Riesenschiff, dessen Kapitän feststellt, dass die Fuhre zu langsam ist und deshalb dazu bereit ist, einige der Mitfahrer per Rettungsboot von Bord zu bugsieren. Zwar mit Proviant ausgestattet, aber mit begrenzten Spritreserven, die Zweifel daran lassen, ob man Land erreicht. Das ist der Grund für die Proteste dieser Tage. Die Mitarbeiter wollen eigentlich, dass das Schiff verbessert wird. Sollten es dennoch einige von ihnen verlassen müssen, dann mit bestmöglicher Rettungsausstattung. Ganz anders sehen das die Eigentümer des Riesentankers Siemens. Sie wollen schnellstmöglich ordentliche Gewinne sehen. Nun verdienen die Münchner nicht wirklich schlecht. Aber weniger als der immer wieder zum Vergleich herangezogene US-Wettbewerber General Electric. Dort hat man sich auf einen kooperativen Führungsstil und eine evolutionäre Wachstumsstrategie besonnen. Vorbei die Zeiten, als der damalige, für seine rabiaten Methoden berüchtigte GE-Chef Jack Welch sich den Spitznamen "Neutronen-Jack" verdiente - eine Anspielung auf die Wirkung der Neutronen-Bombe, die Menschen auslöscht, Maschinen und Gebäude aber verschont. Allein die Interessen der Aktionäre sollten die Entscheidungen von Unternehmen bestimmen, meinte er damals - und handelte auch so. Später packte ihn tiefe Reue. Shareholder Value sei "die blödeste Idee der Welt". Stattdessen seien Mitarbeiter, Kunden und Produkte wichtig. Das sollte mittlerweile überall konsensfähig sein. Der Siemens-Boss will nichts anderes erreichen. Aber die Arbeitnehmer zweifeln mittlerweile daran, dass sich der vor zwei Jahren von ihnen höchst willkommen geheißene Joe Kaeser als der erhoffte Glücksgriff erweist. Die im Februar verkündete Neustrukturierung und Entbürokratisierung hatte weitestgehend das O.k. der Arbeitnehmervertreter, obwohl es Stellen kostete. Dagegen stoßen die nun verkündeten Einschnitte in Produktionsbereichen auf Widerstand. Verunsichert sind Mitarbeiter wie Anteilseigner gleichermaßen über den Kauf des US-Unternehmens Dresser-Rand. Diese Firma verdient vor allem am Fracking. Also zum Zeitpunkt des Erwerbs durch Siemens noch gut, was den Kauf teuer machte. Mittlerweile haben sich die Geschäfte mit Fracking massiv verschlechtert. Dresser-Rand hat viel Potenzial - als sündteurer Fehlkauf in die Siemens-Annalen einzugehen. Es geht einiges daneben, was Kaeser angepackt hat. Dennoch sollten Investoren und Arbeitnehmer Geduld aufbringen. Kaeser ist kein Arbeitnehmer-Fresser und weiß, was ein börsennotiertes Unternehmen bieten sollte. Es wäre schön, wenn er beweisen könnte, dass dies kein Gegensatz ist. Dafür braucht er Geduld und Zeit.

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