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Mittelbayerische Zeitung: In Europa wächst der Widerstand gegen CETA und TTIP. Schuld daran hat die EU-Kommission. Leitartikel von Daniela Weingärtner

Regensburg (ots)

Kurz bevor sich Kommissionspräsident Barroso, Ratspräsident Van Rompuy und Handelskommissar De Gucht auf den Weg nach Ottawa machten, kam ihnen sozusagen das Gastgeschenk abhanden. Höhepunkt des kanadisch-europäischen Gipfels hätte die Abzeichnung eines Freihandelsabkommens sein sollen, das schon seit einem Jahr fertig verhandelt in der Schublade liegt. Doch in letzter Minute regte sich Widerstand im Europaparlament, in der österreichischen Abgeordnetenkammer und im Deutschen Bundestag. Denn das Abkommen enthält eine Klausel, die die Rechte des Importeurs gegenüber der jeweiligen Regierung stärken soll. Wenn es Streit wegen einer Einfuhrbeschränkung gibt, sollen nicht die ordentlichen Gerichte, sondern eine spezielle Schiedsstelle für Handelsfragen zuständig sein. Kritiker fürchten, dass dadurch nationale Verbraucherschutz- oder Umweltstandards ausgehebelt werden könnten, weil ein Investor den Marktzugang mit Hilfe eines Schiedsgerichts erzwingen könnte, das Handelsfreiheit höher bewertet als nationale Gesetze. Auch das Handelsabkommen TTIP mit den USA enthält eine solche Klausel. Deshalb gilt CETA als Test. Als abschreckendes Beispiel führen Kritiker den Fall des kanadischen Gas- und Ölproduzenten Lone Pine an, dem von der kanadischen Regierung die Fracking-Lizenz entzogen worden war. Das Unternehmen nutzte eine Investitionsschutzklausel im Nafta-Handelsabkommen zwischen Kanada und den USA, um über seine US-Tochter gegen Kanadas Regierung zu klagen. Die Regierung, so der Vorwurf, missbrauche nationale Gesetze, um den Mitbewerber vom kanadischen Markt fernzuhalten. Nach ähnlichem Muster könnten kanadische oder US-Firmen versuchen, Hormonfleisch oder chlorbehandelte Hühnchen auf den europäischen Markt zu drücken. Würden darüber nicht die ordentlichen Gerichte, sondern ein Handelsschiedsgericht entscheiden, hätten womöglich die Verbraucher das Nachsehen. Die Sorgen sind berechtigt. Warum aber bringen Politiker und Verbraucherschützer ihre Einwände erst in letzter Minute vor, wo das CETA-Abkommen kurz vor dem Abschluss steht? Das liegt nicht daran, dass die Kritiker geschlafen haben, sondern an der geheimniskrämerischen Verhandlungstaktik der EU-Kommission. Mit Verweis auf die Wünsche der Partner in Übersee weigert sie sich seit Jahren, das Verhandlungsmandat sowie Protokolle und Zwischenergebnisse zu veröffentlichen. Die EU-Abgeordneten dürfen in einem abgeschotteten Leseraum einen Blick auf die Papiere werfen, ihre Erkenntnisse aber nicht veröffentlichen. Beim Urheberschutzabkommen ACTA hatte die Brüsseler Behörde sich genauso verhalten und damit Schiffbruch erlitten. Nach jahrelangen Geheimverhandlungen wurde der fertige Text dem EU-Parlament zur Abstimmung vorgelegt. In der Zwischenzeit hatten Bürgerrechtsgruppen eine große Widerstandsbewegung gegen ACTA mobilisiert. Das EU-Parlament lehnte ab. Das Ergebnis jahrelanger Arbeit wanderte in den Schredder. CETA und TTIP droht das gleiche Schicksal, wenn die Kommission nicht endlich den Mut hat, ihre Zwischenergebnisse der kritischen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker scheint das Problem erkannt zu haben, denn er gelobt Besserung. Nur wenn die Europäer sich selbst ein Bild über den Inhalt der Verhandlungen machen können, ist eine sachliche Debatte möglich. Erst dann lassen sie sich vielleicht von den Vorteilen überzeugen, die ein Handel ohne Zollschranken und bürokratische Hemmnisse für sie bedeuten kann.

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