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Mittelbayerische Zeitung: Statt die Zahl der Akademiker weiter zu steigern, sollte Deutschland die duale Ausbildung stärken. Leitartikel von Louisa Knobloch

Regensburg (ots)

Der Bericht "Bildung auf einen Blick", in dem die OECD jährlich die Bildungssysteme von 34 Industrienationen vergleicht, ist vor allem ein Loblied auf die Akademisierung. Am besten schneiden Länder mit einer möglichst hohen Quote von Abiturienten und Hochschulabsolventen ab. Deutschland liegt da nach wie vor unter dem Durchschnitt, hat mittlerweile aber aufgeholt: In den vergangenen Jahren strömte jeweils rund eine halbe Million Erstsemester an die Hochschulen, im Wintersemester 2013/14 gab es insgesamt 2,6 Millionen Studierende in Deutschland. Für die OECD ist das ein positives Signal - dabei sorgt die steigenden Anzahl von Studenten zunehmend für Probleme. Von einem Studium versprechen sich viele junge Menschen ein höheres Gehalt und bessere Karrierechancen. Auch die OECD führt wirtschaftliche Gründe für einen Hochschul-Abschluss an: Akademiker sind dem Bericht zufolge seltener arbeitslos und sie verdienen besser: In Deutschland im Schnitt 74 Prozent mehr als Erwerbstätige, die weder zur Universität noch zur Fachhochschule gegangen sind oder einen Meisterkurs besucht haben. Das mag für Ingenieure oder Absolventen in den gefragten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) zutreffen - für viele andere Akademiker gilt das jedoch nicht. Vor allem Geisteswissenschaftler tun sich häufig mit dem Berufseinstieg schwer, nicht wenige landen als Quereinsteiger in einem eigentlich fachfremden Bereich. Befristungen und Teilzeitstellen sind für viele junge Akademiker Realität - gerade, wenn sie eine Karriere im Hochschulbereich anstreben. Mittlerweile zeigt die politisch gewollte Steigerung der Abiturienten- und Studienanfängerzahlen Auswirkungen: Viele Hochschulen sind überfüllt, der Hochschulpakt des Bundes musste bereits mehrfach aufgestockt werden, um den Bedarf an zusätzlichen Studienplätzen zu decken. Unter dem Studienboom leidet das duale System: Zunehmend bleiben in den Betrieben Ausbildungsplätze unbesetzt. Zum Start des Ausbildungsjahres Anfang September waren allein im Handwerk noch 24 000 Lehrstellen offen. Das ist nicht nur für die einzelnen Betriebe ein Problem, sondern auch für die gesamte Wirtschaft, die nicht nur auf Hochschulabsolventen, sondern vor allem auch auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen ist. Bei der Vorstellung des OECD-Berichts hatte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) betont, dass Studium und berufliche Bildung "gleichwertige Alternativen" seien. Eine solche Aussage ist ein Schritt in die richtige Richtung. Statt auf die Akademikerquoten in anderen Ländern zu schielen, die auch deshalb höher sind, weil etwa Gesundheitsberufe dort bereits viel stärker akademisiert sind als hierzulande, sollte Deutschland lieber dafür sorgen, dass das duale System wieder attraktiver wird. Einige Unternehmen haben bereits Studienabbrecher als mögliche Azubis entdeckt - und diese Gruppe ist nicht gerade klein: Studien zufolge liegt die Abbrecherquote unter Bachelor-Studenten bei 28 Prozent. Mit gezielter Berufsberatung an Schulen könnte es gelingen, eher praktisch orientierte Schüler von vornherein für eine Berufsausbildung zu begeistern. Problematisch ist, dass den unbesetzten Lehrstellen zahlreiche unvermittelte Bewerber gegenüberstehen. Die Betriebe klagen hier über die oft mangelnde Ausbildungsreife der Schulabgänger. Ein Ausbau der individuellen Förderung und der Ganztagsklassen könnte dazu beitragen, die Jugendlichen fit für die Ausbildung zu machen. Denn, wie die OECD zu Recht betont: Kaum etwas hilft Menschen besser gegen Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung als Bildung.

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